„System kollabiert“ Krankenkassenchef fordert radikale Rotstift-Politik
IKK-Vorstand Hermes stellt Krankengeld, Familienversicherung, Zahnersatz und weitere Leistungen in FrageInsolvenzen von Krankenkassen möglich
In einem Interview mit der „Berliner Zeitung“ vom 4. September zieht der Manager eine bittere Bilanz und macht die Politik von Jens Spahn (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) als zuständige Minister verantwortlich für das Finanzdesaster bei den gesetzlichen Krankenkassen. Álle Kassen würden bereits „auf der Felge fahren“, Insolvenzen seien sehr wahrscheinlich und das System werde kollabieren.
Die beiden Gesundheitsminister hätten einigen vermögenden Kassen das komplette Vermögen abgeschöpft, so Hermes. Bei der ehemaligen IKK Nord , heute IKK – Die Innovationskasse seien es 30 Millionen Euro gewesen, welche man aus den Rücklagen an den Gesundheitsfonds habe abführen müssen. Im Juli 2024 musste der Zusatzbeitrag der IKK Innovationskasse erneut angehoben werden. Der Beitragssatz liege nun bei 16,9 Prozent.
Mehr Wahlfreiheit, weniger Kassenleistungen
Hinter all den teuren Strukturreformen des Gesundheitsministers sehe Hermes den „übergeordneten Plan“, doch noch eine Bürgerversicherung einzuführen. Alternativen dazu sehe Hermes in der Abschaffung von Krankengeld, Mutterschaftsgeld, und der kostenlosen Familienversicherung für Ehepartner. Den Rotstift würde Hermes außer dem auch bei Zahnersatz, Physiotherapie und Massagen ansetzen, ebenso bei der Homöopathie. Und schließlich will Ralf Hermes auch den Gesundheitsfonds „zurückbauen“, um insgesamt mehr Wahlfreiheit im Medizinsystem zu ermöglichen. Um diesen nicht minder radikalen Vorschlägen Gewicht zu verleihen, würde die IKK Innovationskasse derzeit die mögliche Entlastung aus diesen Schritten errechnen.
„Wenn ich Probleme mit den Ohren habe, gehe ich direkt zum Ohrenarzt, was soll ich da vorher beim Hausarzt? Das verursacht doch nur Kosten.“
Als Lösung und Zukunftsmodell schlug Hermes die verstärkte Absicherung über private Zusatztarife mit Selbstbehalt vor. Die Versicherten sollen bis zu einer festgelegten jährlichen Grenze Facharzt-Leistungen selbst zahlen und dafür im Gegenzug einen großen Teil ihrer Beiträge zurück erhalten. Im Endeffekt wären sie „besser versichert als vorher“. An der ärztlichen Versorgung, so Hermes, solle nach seinem Modell nicht gerüttelt werden, betonte Hermes. Allerdings sei er gegen die zentrale Rolle des Hausarztes: „Wenn ich Probleme mit den Ohren habe, gehe ich direkt zum Ohrenarzt, was soll ich da vorher beim Hausarzt? Das verursacht doch nur Kosten.“
Schluss mit Vollkasko
Chronisch Kranke würden sich nicht für diese Modelle entscheiden und könnten im gewohnten GKV-Modell verbleiben, antwortete der Kassenchef auf die Frage nach der Versorgung vulnerabler Gruppen. Einen „Abschied vom Solidarprinzip“ sehe Hermes durch sein Modell nicht gegeben, eher einen verstärkten Anreiz zu Prävention und Eigenverantwortung. Ein „Solidarprinzip mit einer Vollkaskoversicherung“, die den ungesunden verfehlten Lebensstil mitfinanziere, könne man sich als Gesellschaft nicht mehr leisten – so sein Fazit. Auf weitere kritische Fragen zu seinen Ideen antwortete Hermes ausweichend. Aus den Reihen von Union und FDP gebe es bereits Unterstützung für das Modell.
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