Bundespatientenbeauftragter: „Bin für Bürgerversicherung“
SPD-Politiker plädiert für Modell, „das sich alle leisten können“Freie Arztwahl erhalten
In einem ausführlichen Interview mit dem Münchener Merkur benannte der SPD-Politiker dringende systemische Probleme wie die jährlichen 200.000 Krankenhausbehandlungen aufgrund von Fehlmedikationen. Vieles ließe sich durch elektronische Patientenakten und KI-Einsatz verhindern, so der Beauftragte, der seit 2022 das Amt innehat.
Das von der Bundesregierung geplante Primärarzt-System begrüßte der Gesundheitspolitiker, mahnte aber an, dass nicht bei allen Fachärzten automatisch der Hausarzt vorgeschaltet werden könne. Ausnahmen sollten beispielsweise bei chronischen Erkrankungen gelten. Grundsätzlich müsse die freie Arztwahl erhalten bleiben, so Schwartze, weil sonst kein Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient aufgebaut werden könne.
Zwei-Klassen-System beenden
Terminengpässe möchte Schwartze durch bessere Koordination verringern. Wer ein dringendes medizinisches Problem habe, müsse „einen schnellen Termin bekommen und nicht monatelang warten“. Viele IGeL – Leistungen sollten nach den Vorstellungen Schwartzes auf den Prüfstand gestellt oder eingeschränkt werden. Konkret nannte er Ultraschalluntersuchungen zur Früherkennung von Eierstockkrebs, die von Fachgesellschaften wegen zu hoher Risiken nicht empfohlen werde. Es könne nicht sein, so Schwartze, „dass man bei manchen Arztpraxen eine solche IGeL-Dienstleistung bei der Terminvergabe direkt dazubuchen muss, weil man sonst gar keinen Termin bekommt.“ Gerade bei der elektronischen Terminvergabe würde bereits bei der Abfragefunktion ein Zwei-Klassen-System deutlich, welches „abgeschaltet“ gehöre, etwa wenn für PKV-Patienten immer noch Termine zu bekommen wären, während GKV-Versicherte leer ausgingen. Unbezahlbare PKV-Prämien seien allerdings auch ein Grund, um grundsätzlich etwas am System zu ändern, so Schwartze.
Als sein bevorzugtes Lösungsmodell nannte der Beauftragte die Einführung der Bürgerversicherung, wie sie die SPD seit vielen Wahlperioden voranbringen will. Das „würde allen gleichermaßen helfen“, zeigte sich auch Stefan Schwartze überzeugt, der jedoch einräumte, dass diese in der aktuellen Wahlperiode nicht erreicht werden könne.
Eine Novelle des Patientenrechtegesetzes soll laut Schwartze die Beweispflichten beim Nachweis von Behandlungsfehlern für Patienten verringern und vereinfachen. Das sei „für viele Patientinnen und Patienten, die jahrelang vor Gerichten verbringen, wichtig“. Weiterhin sollen mit dem verbesserten Gesetz auch die Einsichtsrechte in physische und elektronische Patientenakten gestärkt werden.
Widerspruchslösung bei Organspenden
Als eine weitere grundsätzliche Änderung strebt Schwartze die Einführung der Widerpruchslösung bei der Organspende an. Dafür macht sich der Patientenbeauftragte in einer neuerlichen Initiative von Bundestagsabgeordneten stark. Die Widerspruchslösung sieht vor, dass jede Person aktiv widersprechen muss, die kein Organspender sein möchte. Derzeit gilt in Deutschland die so genannte Entscheidungslösung. Schwartze plädiert für eine Änderung, um mehr Spenderinnen und Spender zu finden.