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Solidargemeinschaften (als anderweitige Absicherung)

Solidargemeinschaften  (als anderweitige Absicherung)

Solidargemeinschaften im Gesundheitswesen gelten unter bestimmten Voraussetzungen als anderweitige Absicherung im Krankheitsfall. Demgemäß bedürfen Mitglieder dieser Solidargemeinschaften weder einer Absicherung in einer gesetzlichen Krankenkasse noch einer privaten Krankenversicherung.

Die rechtliche Anerkennung durch den Gesetzgeber erfolgte im Zuge des Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetzes (DVPMG), das am 9. Juni 2021 in Kraft getreten ist.

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Solidargemeinschaften im Gesundheitswesen

Solidargemeinschaften verstehen sich – neben gesetzlicher und privater Krankenversicherung – als ein weiterer Weg der Krankenabsicherung. Im Zentrum ihrer Konzeption sehen Solidargemeinschaften den Gedanken der Solidarität: Die Mitglieder kommen gegenseitig für Kosten im Krankheitsfall auf und unterstützen sich auch persönlich. Zudem agieren die Solidargemeinschaften ohne Gewinnabsichten.

Die Solidargemeinschaften sind oft als Verein organisiert.

Grundlagen

Die gesetzliche Anerkennung der Mitgliedschaft in einer Solidargemeinschaft steht im Spannungsfeld zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der privaten Krankenversicherung.

Krankenversicherungssystem

Das Krankenversicherungssystem in Deutschland ist dual ausgestaltet und gliedert sich in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die private Krankenversicherung (PKV). In beiden Systemen gelten unterschiedliche Struktur-, Leistungs- und Beitragsgrundsätze. Für die gesetzliche Krankenversicherung, in der rund 90 Prozent der Bevölkerung in Deutschland versichert sind, gilt das Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), und für die private Krankenversicherung §§ 192 ff. Versicherungsvertragsgesetz (VVG).

Versicherungspflicht in der GKV

Bestimmte Personengruppen unterliegen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, das heißt sie sind automatisch in der GKV versichert. Nach Ansicht des Gesetzgebers sind diese Personen hinsichtlich einer Absicherung gegen das Krankheitsrisiko schutzbedürftig, sodass sie einer Pflichtversicherung in der GKV unterworfen werden. Welche Personengruppen dies erfasst, regelt § 5 SGB V. Unter anderem sind danach Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und entweder zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, pflichtversichert (§ 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V).

Allgemeine Krankenversicherungspflicht

Seit 1. Januar 2009 gilt in Deutschland eine allgemeine Krankenversicherungspflicht. Danach muss jede Person mit Wohnsitz in Deutschland bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sein, § 193 Abs. 3 VVG. Bis dahin galt nur für bestimmte Berufs- oder Personengruppen eine Krankenversicherungspflicht.

Ausgenommen von dieser allgemeinen Krankenversicherungspflicht sind unter anderem Personen, die bereits in der GKV versichert sind (§ 193 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 VVG) oder Anspruch auf freie Heilfürsorge haben, beihilfeberechtigt sind oder vergleichbare Ansprüche haben im Umfang der jeweiligen Berechtigung (§ 193 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 VVG).

Einordnung der Solidargemeinschaften

Durch das DVPMG hat der Gesetzgeber gemäß § 176 Abs. 1 S. 1 SGB V die Mitgliedschaft in einer Solidargemeinschaft anerkannt

  • als „anderweitige Absicherung im Krankheitsfall“ im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, sodass keine Versicherungspflicht in der GKV besteht,
    und
  • als ein mit dem Anspruch auf freie Heilfürsorge oder einer Beihilfeberechtigung vergleichbarer Anspruch im Sinne des § 193 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 VVG, sodass eine Pflichtversicherung in der PKV entfällt.

Die Mitgliedschaft in der Solidargemeinschaft ersetzt somit eine Pflichtversicherung in der GKV oder PKV.

Beispiele für Solidargemeinschaften

Gesetzlich anerkannte Solidargemeinschaften im Gesundheitswesen sind:

  • Samarita Solidargemeinschaft 
  • SpUKa Münster
  • Spar- und Unterstützungsverein für Polizeibeamte im Münsterland
  • Unterstützungskasse der JVA Bielefeld e.V.

Organisiert sind diese in einem eigenen Dachverband .

Gesetzlich noch nicht anerkannt aber geduldet ist die

Voraussetzungen der gesetzlichen Anerkennung

Die gesetzliche Anerkennung von Mitgliedschaften in Solidargemeinschaften gilt gemäß § 176 Abs. 1 SGB V nur unter bestimmten Voraussetzungen:

  1. Solidargemeinschaft bestand bereits am 20. Januar 2021
    Mit der gesetzlichen Änderung werden nur diejenigen Solidargemeinschaften anerkannt, die schon länger bestanden haben. Stichtag ist der 20. Januar 2021 (Tag des Kabinettsbeschlusses des Entwurfs des DVPMG). Für Solidargemeinschaften, die nach diesem Datum gegründet wurden, ist eine gesetzliche Anerkennung der Mitgliedschaft hingegen ausgeschlossen, da der Gesetzgeber grundsätzlich weiterhin am dual ausgestalteten Krankenversicherungssystem festhalten möchte.
     
  2. Solidargemeinschaft wird seit ihrer Gründung ununterbrochen fortgeführt
     
  3. Nachweis der dauerhaften Leistungsfähigkeit der Solidargemeinschaft
    Das Bundesministerium für Gesundheit muss anhand eines versicherungsmathematischen Gutachtens auf Antrag der Solidargemeinschaft deren dauerhafte Leistungsfähigkeit bestätigen. Der Antrag ist alle fünf Jahre zu stellen. Erbringt die Solidargemeinschaft nach Ablauf von fünf Jahren den Nachweis gegenüber dem Bundesgesundheitsministerium nicht erneut, entfällt die gesetzliche Anerkennung. Einzelheiten zur dauerhaften Leistungsfähigkeit enthält § 176 Abs. 3 SGB V.

    Mit dieser Anforderung soll zum Schutz der bestehenden Krankenversicherungssysteme sichergestellt werden, dass die Solidargemeinschaft über ein dauerhaft tragfähiges Finanzierungskonzept verfügt.

Mitgliedschaft in der Solidargemeinschaft

Die Absicherung im Krankheitsfall durch Mitgliedschaft in einer Solidargemeinschaft kann von freiwilligen Mitgliedern in der GKV, nachrangig versicherungspflichtigen Mitgliedern in der GKV gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sowie privat Krankenversicherten genutzt werden.
Eine Pflichtmitgliedschaft in der GKV nach § 5 Abs. 1 Nr. 1-12 SGB V, für die keine Befreiung erteilt wurde, bleibt hingegen vorrangig und kann nicht durch eine Mitgliedschaft in einer Solidargemeinschaft ersetzt werden.

Die Kündigung der Mitgliedschaft in einer solchen Solidargemeinschaft wird nur wirksam, wenn das Mitglied das Bestehen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall – in der GKV, PKV oder einer anderen Solidargemeinschaft gemäß § 176 Abs. 1 SGB V – nachweist (§ 176 Abs. 2 S. 3 SGB V).

Leistungsanspruch

Wegen der gesetzlichen Anerkennung sind die Solidargemeinschaften verpflichtet, ein der GKV und PKV vergleichbares Schutzniveau zur Absicherung im Krankheitsfall zu gewähren.

In jedem Fall soll der sozialstaatlich gebotene Mindestschutz sichergestellt werden. Gemäß § 176 Abs. 2 S. 1 SGB V haben die Solidargemeinschaften ihren Mitgliedern daher Leistungen zu erbringen bzw. zu erstatten, „die der Art, dem Umfang und der Höhe nach den Leistungen [der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem SGB V] entsprechen.“ Unabhängig von den Satzungen der Solidargemeinschaften enthält § 176 Abs. 2 S.1 SGB V damit einen gesetzlichen Anspruch der Mitglieder auf Leistungen gegen die Solidargemeinschaft. Dieser Leistungsanspruch kann nicht zum Nachteil der Mitglieder durch Satzung eingeschränkt werden (§ 176 Abs. 2 S. 2 SGB V).

Mitglieder erhalten daher Leistungen mindestens im Leistungsumfang der GKV.

Auswirkungen auf die Pflegeversicherung

Die Anerkennung der Mitgliedschaft in einer Solidargemeinschaft als anderweitige Absicherung im Krankheitsfall wirkt sich auch auf die Pflegeversicherung aus.

Krankenversicherung und Pflegeversicherung

Krankenversicherung und Pflegeversicherung sind in Deutschland eng miteinander verbunden: So werden etwa die Pflegekassen (als Träger der Pflegeversicherung) bei den einzelnen Krankenkassen errichtet (§ 46 Abs. 1 SGB XI). Zudem ist die Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung an die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung gekoppelt: Wer in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig ist (§ 5 SGB V), ist auch in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert (§ 20 SGB XI). Außerdem besteht für Kinder, Ehegatten und eingetragene Lebenspartner gleichsam in der GKV (§ 10 SGB V) wie in der sozialen Pflegeversicherung (§ 25 SGB XI) die Möglichkeit einer beitragsfreien Familienversicherung.

Entfällt die Krankenversicherungspflicht – wegen der anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall durch Mitgliedschaft in einer Solidargemeinschaft – entfällt auch der Anknüpfungspunkt für die Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung (bzw. für die private Pflegepflichtversicherung).

Neue Versicherungspflichttatbestände

Solidargemeinschaften im Gesundheitswesen leisten eine Absicherung nur im Krankheitsfall – nicht aber im Pflegefall. Mitglieder von Solidargemeinschaften bedürfen daher einer anderweitigen Absicherung für den Fall der Pflegebedürftigkeit.

Der Gesetzgeber hat dies erkannt und mit entsprechenden Regelungen im SGB XI reagiert.

Eingeführt wurden, ebenfalls durch das DVPMG, zwei neue Versicherungspflichttatbestände in der Pflegeversicherung:
§ 21a SGB XI zur Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung bei Mitgliedern von Solidargemeinschaften und
§ 23 Abs. 4a SGB XI zur Versicherungspflicht in der privaten Pflege-Pflichtversicherung.

Für die Abgrenzung dieser beiden Versicherungspflichttatbestände kommt es darauf an, ob Mitglieder ohne die Mitgliedschaft in der Solidargemeinschaft der gesetzlichen oder der privaten Krankenversicherung zuzuordnen wären. Wären ohne die Mitgliedschaft in der Solidargemeinschaft die Voraussetzungen von § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V erfüllt, wäre das Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen und unterfällt folglich der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung gemäß § 21a SGB XI. Andernfalls, das heißt wenn die Voraussetzungen von § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ohne Mitgliedschaft in der Solidargemeinschaft nicht erfüllt wären und nach § 193 Abs. 3 VVG eine private Krankenversicherung abgeschlossen werden müsste, gilt die Versicherungspflicht in der privaten Pflege-Pflichtversicherung nach § 23 Abs. 4a SGB XI.

In jedem Fall muss ein Pflegeversicherungsschutz bestehen. Für die Versicherungspflicht genügt es, wenn Mitglieder bereits in der sozialen Pflegeversicherung oder in einer privaten Pflege-Pflichtversicherung versichert sind: Mitglieder von Solidargemeinschaften, die nach § 21a Abs. 1 S. 1 SGB XI in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig wären, können also auch (nur) in einer privaten Pflege-Pflichtversicherung versichert sein (§ 21a Abs. 1 S. 2 SGB XI). Umgekehrt reicht es aus, wenn Personen, die nach § 23 Abs. 4a S. 1 SGB XI einer privaten Pflege-Pflichtversicherung bedürften, in der sozialen Pflegeversicherung versichert sind (§ 23 Abs. 4a S. 3 SGB XI).

Abfrage und Nachweis zum Pflegeversicherungsschutz

Um das Bestehen des Pflegeversicherungsschutzes klären zu können, sind die Solidargemeinschaften dazu verpflichtet, bei ihren Mitgliedern abzufragen, ob sie in der sozialen Pflegeversicherung oder privaten Pflege-Pflichtversicherung versichert sind. Damit einhergehend sind die Mitglieder verpflichtet, innerhalb von drei Monaten nach der Abfrage das Bestehen des Versicherungsschutzes nachzuweisen oder mitzuteilen, falls ein solcher nicht besteht. Erfolgt kein bzw. kein rechtzeitiger Nachweis, hat die Solidargemeinschaft das Mitglied aufzufordern, sich gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit abzusichern und einen Nachweis darüber innerhalb von sechs Wochen vorzulegen, § 21a Abs. 2 SGB XI.

 

 

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