Vollstreckung - was darf die Krankenkasse?
Zahlen Versicherte die monatlichen Beiträge gar nicht oder nur unzureichend, häufen sich die ausstehenden Beträge als Schulden an. In den meisten Fällen stehen hinter den ausbleibenden Zahlungen finanzielle Notlagen der Versicherten. Daher sollten gesetzlich versicherte Schuldner stets den Kontakt zu ihrer Krankenkasse suchen. So lässt sich beispielsweise ein Stundungsmodell für die Beiträge vereinbaren, um einer möglichen Vollstreckung präventiv zu begegnen.
Welche Versicherten sind potentiell betroffen?
Angestellte brauchen sich kaum Sorgen um eine Vollstreckung seitens der Krankenkassen machen. In ihrem Fall übermittelt der Arbeitgeber die Beiträge für die Pflichtversicherungen. Das schließt die Beiträge an die Krankenversicherung ein. Versäumen Arbeitgeber diese Pflicht, tragen sie auch die juristischen und finanziellen Konsequenzen. Eine Vollstreckung betrifft am häufigsten Menschen, die sich freiwillig gesetzlich versichert haben. Darunter fallen:
- Solo-Selbständige
- Selbständige mit Angestellten
- Arbeitnehmer mit einem Einkommen über der Jahresarbeitsentgeltgrenze
Selbständige mit Angestellten agieren gleichzeitig als Arbeitgeber. Sie müssen daher sowohl für sich selbst als auch für ihre Angestellten die Pflichtversicherungsbeiträge ordnungsgemäß abführen. Bezieht man Sozialleistungen wie das Bürgergeld oder Sozialhilfe, übernimmt das jeweilige Amt die Zahlungen an die Krankenversicherung. Solange die Leistungsbeziehenden die jeweiligen Voraussetzungen und Bedingungen einhalten, brauchen sie keine finanziellen Verbindlichkeiten gegenüber den Pflichtversicherungen zu fürchten.
Wie kann die Krankenkasse reagieren?
Unabhängig von jeglichen Verbindlichkeiten oder Schuldenhöhe gegenüber der Krankenkasse kann diese keine Kündigung aussprechen. Erst bei einer nachgewiesenen Straftat des Versicherten wird eine Kündigung gültig. Somit bleiben säumige Zahler auch weiterhin versichert. Allerdings kann die Krankenkasse andere Mittel heranziehen:
- Aussetzen bestimmter Leistungen
- Forderung von Mahngebühren und Zuschlägen
- Vollstreckung der fehlenden Beiträge
Im Falle einer Aussetzung von Leistungen reduziert die gesetzliche Krankenkasse ihr Leistungsangebot. Die Aussetzung kann bereits eintreten, sobald für mindestens zwei Monate keine Beiträge mehr gezahlt wurden. Mahnt die Krankenkasse einen säumigen Versicherten ab, addieren sich zu den bestehenden Schulden noch die Mahngebühren sowie Säumniszuschläge. Die Säumniszuschläge können monatlich eingefordert werden und bemessen sich meist prozentual an den bestehenden Beitragsschulden.
Die Versicherten können als Beitragsschuldner weiterhin zum Arzt gehen und werden medizinisch versorgt. Allerdings übernimmt die Krankenkasse nur noch die Kosten für unaufschiebbare Behandlungen. Darunter fallen Notbehandlungen sowie Behandlungen bei Schmerzen und akuten Erkrankungen. Ggenüber Schwangeren bleibt das Leistungsspektrum komplett unangetastet, genauso wie sämtliche Mutterschaftsleistungen sowie die Kostenübernahme von Früherkennungsuntersuchungen für Frauen und Männer.
Wie läuft eine Vollstreckung ab?
Ignorieren Versicherte alle Mahnungen bzw. verfehlen Versicherter und Krankenkasse eine gemeinsame Einigung, so kommt es zur Vollstreckung der fälligen Beiträge. Dazu gibt die gesetzliche Krankenversicherung den Fall an das Hauptzollamt weiter. Um die Beitragsrückstände einzufordern, stehen dem Hauptzollamt mehrere Werkzeuge zur Verfügung. Sie können, ähnlich dem Gerichtsvollzieher, erstens den säumigen Beitragszahler zur Abgabe einer Vermögensauskunft auffordern. Zweitens können sie aufjuristischem Weg Sach- und Kontofändungen erzwingen.
Insolvenzverfahren durch die Krankenkasse
Versäumt ein Selbständiger die Beitragszahlung für seine Angestellten, stellt dies einen speziellen Fall dar. Die gesetzliche Krankenkasse stellt darin zunächst einen Fremdantrag. Auf Basis dessen leitet das Gericht anschließend ein Insolvenzverfahren gegenüber dem Schuldner ein. Ein Fremdantrag sieht dabei keine Restschuldbefreiung für den Schuldner am Verfahrensende vor. Diese muss der Schuldner zusammen mit einem Eigenantrag auf Insolvenz selbst stellen. Selbständige Arbeitgeber können ein Insolvenzverfahren per Fremdantrag abwehren. Meist bedarf es dazu der umgehenden und vollumfänglichen Begleichung aller Beitragsrückstände.
Was können Versicherte tun, wenn Beitragszahlungen ausstehen?
Sehen Beitragszahler kurzfristige finanzielle Engpässe auf sich zukommen, gibt es mehrere Möglichkeiten, einer Überschuldung vorzubeugen. Melden sich Versicherte dabei frühzeitig bei der Krankenkasse, zeigen diese sich häufig sehr kooperationsbereit.
Oft gewähren die Krankenkassen auch einen Aufschub der Zahlungen. Eine Option wäre daher die vollständige Stundung der Beiträge, bis die nächste Fälligkeit ansteht. Darüber hinaus kann man auch eine längerfristige Stundung per individueller Ratenzahlung vereinbaren. Somit kann man fehlende Beiträge über einen größeren Zeitraum ausgleichen. Bei einer Stundungsvereinbarung fällt allerdings ein zu zahlender Verzugszins an. Dieser liegt normalerweise bei 0,5 % pro Monat.
Widerspruch gegen drohende Vollstreckung
Schuldner können Widerspruch gegen ein anstehendes Vollstreckungsverfahren einlegen. Dieser Widerspruch kann Erfolg haben, wenn man die Unrechtmäßigkeit der Vollstreckung nachweisen kann. Gründe hierfür können unter anderem vorliegen, wenn es Fehler bei den berechneten Forderungen gibt.
Daneben können auch Verfahrensfehler eine Vollstreckung zu Gunsten des Schuldners beenden, wenn beispielsweise kein vollstreckbarer Beitragsbescheid bzw. Pfändungsbeschluss vorlag. Außerdem kann man Widerspruch gegen die Pfändung von Gegenständen einlegen, die unter den Pfändungsschutz fallen.
Vollstreckung bei Familienversicherten?
Auch beitragsfrei versicherte Familienmitglieder können Schulden bei der gesetzlichen Krankenkasse machen. Dies kann vorkommen, wenn sie aus der Familienversicherung rutschen. Ein Grund hierfür kann sein, dass der versicherte Angehörige es versäumt, die Voraussetzungen für ein Fortbestehen der Familienversicherung nachzuweisen. Vollstreckungsverfahren gegen familienversicherte Personen sind selten und haben besonders gegenüber Minderjährigen kaum Aussicht auf Erfolg. Dies liegt bei Sachpfändungen zum einen am Pfändungsschutz von Gegenständen, die für eine bescheidene Lebens- und Haushaltsführung als notwendig gelten. Ein weiterer Grund liegt im staatlichen Schutzauftrag gegenüber Minderjährigen, der eine notwendige gerichtliche Durchsuchungsermächtigung ihrer Wohnräume oft aushebelt.
Schulden durch allgemeine Versicherungspflicht
Es besteht per Gesetz eine allgemeine Versicherungspflicht. Sie gilt für jeden mit einem Wohnsitz in Deutschland. Wer sich somit weder privat noch gesetzlich krankenversichert, sei es auch nur für kurze Zeit, der verletzt diese Pflicht. Dadurch entstehen automatisch Schulden, selbst wenn man in der versicherungsfreien Zeit keinerlei Arztbesuche unternahm. Kehrt man in die gesetzliche Krankenkasse zurück, muss man die ausgebliebenen Zahlungen ausgleichen.
Die Summe der Schulden berechnet sich dabei nach dem Zeitraum, in dem man der Versicherungspflicht nicht nachkam. Dabei fällt auf die ersten fünf Monate, an denen man nicht versichert war, der volle Beitrag an. Dieser minimiert sich ab dem sechsten Monat auf einsechstel der monatlichen Zahlungen. Lässt sich der unversicherte Zeitraum nicht herausfinden, geht die Krankenkasse pauschal von 5 Jahren aus.
Darüber hinaus können Schuldner per Antrag eine Zahlungsermäßigung erbitten. Dazu bedarf es für die Zeit ohne Krankenversicherung einer der Voraussetzungen:
- Sie war nicht länger als drei Monate
- Sie blieb ohne Nutzung von ärztlichen Leistungen und blieb frei von Behandlungskosten.
- Man wechselt in die Pflichtversicherung der GKV.
Unabhängig davon fallen zu den Schulden meistens auch Säumniszuschläge an. Diese belaufen sich monatlich auf einen Zins von einem Prozent, gemessen an den ausstehenden Beiträgen. Die Krankenkassen haben Rückerern in der Versicherung gegenüber die Möglichkeit, Schulden zu vollstrecken.
Verjährung von Beitragsschulden
Für Schulden bei der Krankenkasse existieren zwei Verjährungsfristen. Nach geltendem Sozialrecht verjähren ausstehende Zahlungen gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse nach vier Jahren. Diese Regel greift aber nur bei Schulden, die unwissentlich oder versehentlich angehäuft wurden. Wurden Beiträge wissentlich hinterzogen, verlängert sich die Verjährungsfrist auf 30 Jahre.
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