Kryokonservierung: Urteil im Streit um Kostenübernahme
Der dem Urteil zu Grunde liegende Fall betraf eine junge Brustkrebspatientin, die im Februar 2021 vor Beginn der Chemotherapie Eizellen einfrieren ließ, um ihre Fruchtbarkeit zu sichern. Die Behandlung erfolgte im März 2021. Zu diesem Zeitpunkt war die so genannte Kryorichtlinie zwar schon in Kraft getreten, der nötige Eintrag der neuen Kassenleistung im Erweiterten Bewertungsausschuss (E-BM) aber noch nicht erfolgt. Aus diesem formaljuristischen Grund verweigerte die Krankenkasse die Kostenerstattung von rund 4.000 Euro und verwies auf den noch fehlenden Abrechnungstatbestand.
Das Sozialgericht Gelsenkirchen hatte der Klägerin zunächst Recht gegeben: Der Anspruch auf Kostenübernahme bestehe bereits mit Inkrafttreten der G-BA-Richtlinie, unabhängig von der technischen Umsetzung im Abrechnungssystem. Das LSG NRW sah das jedoch anders und hob das Urteil auf. Nach seiner Auffassung entsteht ein Leistungsanspruch in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erst dann, wenn eine neue Behandlungsmethode nicht nur gesetzlich geregelt, sondern auch praktisch abrechenbar ist.
Zur Begründung verwies das Gericht auf § 87 Abs. 5b SGB V: Danach muss der Bewertungsausschuss innerhalb von sechs Monaten nach einem G-BA-Beschluss die EBM-Ziffern festlegen. Diese Frist wurde hier eingehalten. Der Gesetzgeber habe damit bewusst eine Übergangszeit vorgesehen, in der noch kein Anspruch auf Sachleistung besteht. Anders als bei digitalen Gesundheitsanwendungen oder dem Zweitmeinungsverfahren gebe es für die Kryokonservierung keine Sonderregelung, die eine Kostenerstattung in dieser Übergangsphase erlaubt.
Auch die sogenannte Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs. 3a SGB V) griff im konkreten Fall nicht. Zwar entschied die Krankenkasse erst nach Ablauf der gesetzlichen Frist, doch die Patientin ließ die Eizellen bereits entnehmen, bevor diese Frist überhaupt endete. Damit fehlte der rechtliche Zusammenhang zwischen der verspäteten Entscheidung und der Selbstbeschaffung der Leistung.
Das Urteil verdeutlicht das komplexe Zusammenspiel von Gesetz, Richtlinie und Vergütungssystem im Gesundheitsrecht. Für Versicherte heißt das: Neue Leistungen gelten erst dann als Kassenleistung, wenn alle formalen Voraussetzungen – insbesondere die Abrechenbarkeit – erfüllt sind. Betroffene, die zwischen Februar und Juni 2021 Keimzellen einfrieren ließen, haben nach derzeitiger Rechtslage keinen Anspruch auf Erstattung.
Da das LSG die Revision zugelassen hat, wird nun das Bundessozialgericht (BSG) endgültig klären müssen, ob in dieser Übergangszeit ein Anspruch auf Kostenübernahme bestand.

 
																 
																 
																