Finanzkrise im Gesundheitswesen – Krankenkassen vor Zerreißprobe
Dynamische Ausgabenentwicklung bei stagnierenden EinnahmenBürgergeld als Belastungsfaktor
Ein zentrales Problem bleibt die Finanzierung der Gesundheitsausgaben für Bürgergeldempfänger. Die gesetzlich festgelegte Pauschale von 133 Euro pro Monat deckt laut Berechnungen der Techniker Krankenkasse lediglich etwa ein Drittel der tatsächlichen Gesundheitskosten je Empfänger. Das führt zu einem Defizit von jährlich rund 10 Milliarden Euro für die gesetzliche Krankenversicherung. Obwohl der neue Koalitionsvertrag eine vollständige Übernahme dieser Kosten durch den Bund vorsieht, wurde diese Maßnahme bis heute nicht umgesetzt. Die TK fordert daher, die ursprünglich vereinbarten Zuschüsse endlich bereitzustellen, um die Beitragszahler zu entlasten.
Ausgabenentwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung(c) GKV-Spitzenverband
Kostentreiber Arzneimittel und Krankenhaus
Die Gesundheitsausgaben steigen auch in anderen Leistungsbereichen stark an. Hauptkostentreiber sind der demografische Wandel, der medizinisch-technische Fortschritt sowie steigende Preise im Arzneimittelsektor. So stiegen die Arzneimittelausgaben weiter kräftig an. Allein im Jahr 2024 erhöhten sich die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung in diesem Bereich um weitere 5 Milliarden Euro. Insgesamt beliefen sie sich auf 55 Milliarden - ein absoluter Rekordwert.
Kurzfristige Maßnahmen sind keine Lösungen
Die von der Bundesregierung geplanten Sonderdarlehen – 2,3 Milliarden Euro jährlich für die GKV in den Jahren 2025 und 2026 sowie weitere Mittel für die Pflegeversicherung – verschaffen kurzfristige Liquidität, verschieben das Problem aber lediglich in die Zukunft. Ab 2029 müssen die Kredite getilgt werden, was die Finanzsituation der Kassen weiter belasten dürfte. Die Techniker Krankenkasse bewertet diese Lösung als unzureichend, da sie weder strukturelle Reformen ersetzt noch das Grundproblem der ungleichen Lastenverteilung zwischen Beitragszahlern und Staat löst.
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Auch der Vorschlag, die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel von derzeit 19 Prozent auf den ermäßigten Satz von sieben Prozent zu senken, könnte kurzfristig eine Entlastung von bis zu acht Milliarden Euro bewirken. Ebenso könnten höhere Herstellerabschläge auf Medikamente zusätzliche Spielräume schaffen. Diese Maßnahmen gelten jedoch als wenig nachhaltig, da sie an den strukturellen Ursachen der Kostenexplosion – etwa Überversorgung, Ineffizienz in der Versorgung und fehlende Digitalisierung – nichts ändern würden.
Reformbedarf statt kurzfristiger Hilfspakete
Langfristig brauche es nach Ansicht von Experten und Verbänden eine klare politische Entscheidung, versicherungsfremde Leistungen konsequent aus Steuermitteln zu finanzieren, anstatt die Beitragszahler weiter zu belasten. Dazu gehören Leistungen für Bürgergeldempfänger ebenso wie Ausgaben für gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Die Krankenkassen fordern zudem, die Digitalisierung und Prozessoptimierung im Gesundheitswesen endlich entschlossen voranzutreiben, um Versorgung effizienter und kostengünstiger zu gestalten. Diese Forderungen bestehen seit Jahren – eine wirkliche Umsetzung bleibt bislang jedoch aus.
Quellen: Bundesgesundheitsministerium, AOK-Bundesverband, Techniker Krankenkasse