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Urteile

Krankenkasse muss Fahrtkosten bei Wiedereingliederung übernehmen

Sozialgericht: Fahrt zum Job gehört zu Rehamaßnahmen im Rahmen der Wiedereingliederung
veröffentlicht am 24.07.2020 von Redaktion krankenkasseninfo.de

Urteil im Bereich KrankenversicherungUrteil im Bereich Krankenversicherung(c) Thorben Wengert / pixelio.de
Einem gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmer, der arbeitsunfähig erkrankt ist und Krankengeld erhält, sind auch die Fahrtkosten zum Arbeitsort im Rahmen der stufenweisen Wiedereingliederung zu erstatten. Dies entschied das Sozialgericht (SG) Dresden mit Urteil vom 17. Juni 2020.

2020-07-24T11:55:00+00:00
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Fahrt zum Arbeitsplatz während Wiedereingliederung

Dem Urteil liegt die Klage eines Arbeitnehmers gegen seine Krankenkasse zugrunde. Der Kläger war zunächst arbeitsunfähig erkrankt und erhielt Krankengeld von seiner Krankenkasse. Im Rahmen der stufenweisen Wiedereingliederungsmaßnahme bei seinem Arbeitgeber legte er an 10 Tagen eine Strecke von rund 20 Kilometern zurück. Die dabei angefallenen Fahrtkosten wollte er sich von seiner Krankenkasse erstatten lassen.

Seine Krankenkasse lehnte den Antrag allerdings mit dem Argument ab, dass die Erstattung von Fahrtkosten nach § 60 Abs. 5 SGB V nur im Zusammenhang mit medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen vorgesehen sei. Im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung seien dies aber nur ambulante und stationäre Rehamaßnahmen sowie medizinische Rehabilitationsmaßnahmen für Mütter und Väter und Belastungserprobungen (§§ 40, 41, 42 SGB V), nicht aber die stufenweise Wiedereingliederung.

Wiedereingliederung als Reha-Maßnahme?

Hiergegen erhob der Arbeitnehmer Klage vor dem Sozialgericht. Er führte an, Sozialgerichte hätten bereits entschieden, dass Fahrtkosten für die stufenweise Wiedereingliederung als medizinische Rehabilitationsmaßnahme zu übernehmen seien, wenn die Rentenversicherung der zuständige Träger sei. Diese Einschätzung teilte SG Dresden und verurteilte die Krankenkasse, dem Kläger Fahrtkosten in Höhe von 85 Euro zu erstatten.

Sinn und Zweck der stufenweisen Wiedereingliederung sei es, langfristig erkrankte Arbeitnehmer nachhaltig in das Berufsleben einzugliedern, indem Arbeitnehmer ihre Belastungsfähigkeit nach und nach wieder steigern. Dabei nahm das Gericht Bezug auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG), welches einst entschieden hat, dass die Wiedereingliederung „als therapeutisches Instrument zur Überwindung der Folgen einer Erkrankung beitragen soll“ und damit als medizinische Rehabilitationsmaßnahme einzuordnen sei. Diesen Charakter verliere die stufenweise Wiedereingliederung auch nicht dadurch, dass der Versicherte in diesem Rahmen zugleich die Möglichkeit erhält, Arbeit zu verrichten, so das BSG sinngemäß in der zitierten Entscheidung.

Nach Auffassung des Sozialgerichts kommt es dabei nicht darauf an, ob die stufenweise Wiedereingliederungsmaßnahme etwa von der Krankenversicherung, der Rentenversicherung oder der Unfallversicherung getragen wird.

Zudem erfordere die Einordnung als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation nicht, dass die stufenweise Wiedereingliederung zugleich mit einer klassischen Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt wird, wie das SG Dresden unter Berufung auf das BSG ausdrücklich klarstellt.

Anspruch auf Fahrtkostenerstattung begrenzt

Dementsprechend seien Fahrtkosten für die stufenweisen Wiedereingliederung als medizinische Rehabilitationsmaßnahme zu erstatten. Dies trage zusätzlich zum Erfolg der Maßnahme bei, da das Krankengeld hinter dem regulären Lohn zurückbleibt, und der Arbeitnehmer durch die Fahrtkosten zum Arbeitsort finanziell belastet werden würde.

Allerdings sei der Anspruch begrenzt auf die Kosten, die bei Benutzung eines „regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels der niedrigsten Klasse“ anfallen, also auf die Kosten für die Nutzung des ÖPNV.

 

(Az.: S 18 KR 967/19)

 

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