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Leben & Psyche

Sportsucht – Wenn Workout zur Gefahr wird

veröffentlicht am 08.12.2022 von Redaktion krankenkasseninfo.de

SportsuchtSportsucht(c) Pixabay / CC0
Regelmäßiger Sport sorgt normalerweise für körperlichen Ausgleich und verbessert nachweislich Gesundheit und Lebenswerwartung. Doch ins Extrem gesteigert kehrt sich das ins Gegenteil: Exzessives Sporttreiben kann zur Sucht werden und für die Betroffenen schwere Folgen haben.

2022-12-08T15:45:00+00:00
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Als Lukas L. (25) mit 18 Jahren mit dem Kraftsport begann, ging er wie viele andere andere auch zwei bis drei mal die Woche in Fitness-Studio, um Hanteln zu heben oder auf dem Laufband zu schwitzen. Zu sehen, wie man jede Woche mehr Gewicht schaffte und sich der eigene Körper zu verändern begann, fühlte sich sehr gut an und steigerte seine Lust am Trainieren. Ein halbes Jahr später trainierte er schon fünf oder sechs Mal die Woche und bald gab es keinen Tag mehr ohne. Den permanenten Muskelkater ignorierte er  und achtete auch nicht mehr auf die wichtigen Pausen zwischen den Einheiten.

Exzessives Training mit Suchtcharakter Exzessives Training mit Suchtcharakter(c) getty Images / Tero Vesalainen
Aus Muskelkater wurden starke Muskelkrämpfe und weil das exzessive Trainieren seinen Kalorienbedarf so stark erhöht hatte, dass er ihn mit Essen nicht mehr decken konnte, nahm Lucas L. stark ab. Aus einem strengen Ernährungsplan entwickelte sich eine Essstörung. Freundschaften, Beziehung und auch das Studium begannen darunter zu leiden. Bis zu vier Stunden trainierte er täglich, soch eigentlich wusste er nicht mehr weiter. Nur mit einer Therapie und der Hilfe von Freunden fand Lucas L. wieder zu einem gesunden Maß sportlicher Aktivität zurück. Das innere Verlangen zum exzessiven Trainieren, also die Gefahr eines Rückfalls, spürt er weiterhin.

Sucht ohne Substanzgebrauch

Mit dem Begriff Sucht verbindet man oft den harten Konsum von Alkohol und anderen Drogen. Sucht muss jedoch nicht zwingend mit der Einnahme von Substanzen verknüpft sein. Der gemeinsame Nenner heißt Dopamin oder auch Endorphine. Diese Glückshormone werden im Belohnungszentrum unseres Gehirns bei Erfolgserlebnissen ausgeschüttet, wie wir sie beispielsweise beim  Sport erleben. Genau genommen sind wir also nicht nach einer Substanz oder Aktivität süchtig, sondern nach dem Gefühl, dass es in uns auslöst. Sportsucht gehört dabei zur Kategorie der nicht stoffgebundenen Verhaltenssüchte wie Kauf- oder Spielsucht.

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Krisensituationen und Psychotherapie  Krisensituationen und Psychotherapie(c) Pixabay / CC0
Intensives Sporttreiben muss nicht unbedingt der Diagnose Sportsucht entsprechen. Leistungssportler sind nicht zwangsläufig  betroffen, auch wenn diese viel und täglich trainieren. Von einer Sportbindung oder -sucht spricht man vielmehr dann, wenn der Sport im Alltag zunehmend Raum einnimmt und andere Lebensbereiche darunter leiden. Es gibt verschiedene Anzeichen dafür, ob man als Sportler von dieser Störung betroffen ist. Sportpsychologen haben entsprechende Symptome für eine Abhängigkeit herausarbeiten können.

Symptome von Sportsucht

Zwanghaftigkeit: Der Sport wird als Zwang wahrgenommen und nicht mehr aus reiner Motivation oder Freude betrieben. Betroffene können nicht mehr darauf verzichten.

Kontrollverlust: Erkrankte beschreiben ihr Verhalten als fremdgesteuert. Bei einer Alkohol- oder Drogenabhängigkeit wird selbiges ähnlich wahrgenommen. Außerdem können ständig Betroffene in alte oder andere Konsummuster zurückfallen. Darum ist das eigene Verhalten permanent zu reflektieren oder zu kontrollieren, um Rückfälle zu vermeiden, sehr wichtig.

Steigerungswille: Ebenso wie bei Substanzen entwickelt sich bei Sportsucht eine entsprechende Toleranz. Man neigt dazu die Intensität und/oder die Häufigkeit der Trainingseinheiten zu erhöhen, da die gewohnte Ausschüttung von Glückshormonen ansonsten nicht mehr gewährleistet werden kann. Die eintretenden Gewohnheitseffekte können so das aktuelle Suchtverhalten schnell verschlimmern.

Vernachlässigung: Soziale Kontakte (Freunde oder Partner), die Berufstätigkeit und andere Aktivitäten wie Hobbies können zunehmend von der Sportsucht verdrängt werden. Das vollständige Wegfallen anderen Zeitvertreibs birgt die Gefahr die Trainingszeiten noch weiter auszuweiten.

körperliche oder psychische Gefährdung: Süchtige neigen dazu die eigenen Limits zu überschreiten. Körperliche Schmerzen oder benötigte Regenerationspausen werden ignoriert, was schwerwiegende gesundheitliche Folgen mit sich bringen kann. So können physische Schäden an Gelenken, Muskeln, Knochen oder Bändern auftreten.

Entzugserscheinungen: Das Fehlen der gewohnten körperlichen Aktivität kann zu psychischen und/oder psychosomatischen Symptomen führen. Dabei treten z.B. Schlafstörungen, Depressionen, Nervosität, erhöhte Reizbarkeit oder Magen-Darm-Beschwerden auf.

Mögliche Folgen von Sportsucht

(c) Pixabay / CC0
Exzessives suchthaftes Sporttreiben kann eine Reihe gesundheitlicher und sozialer Folgeerscheinungen hervorrufen. So können das Immunsystem geschwächt oder Gelenke, Knochen, Sehnen, Bändern und Muskeln geschädigt werden. Betroffene ignorieren häufig solche Erscheinungen oder betäuben diese mit Schmerzmitteln, um weiter zu trainieren. Somit können parallel auch echte Suchtmittelerkrankungen entstehen. Weiterhin kann es zu Herzrhythmus- und Atemstörungen kommen. Gerade auch für Sportler typisch sind zu dem Hormonstörungen.

Mit dem Begriff der sekundären Sportsucht werden psychische Folgeerscheinungen der primären Erkrankungen bezeichnet. So neigen Männer die Kraftsport machen eher zur Muskeldysmorphie. Dabei wird fehlende Muskelmasse vermisst bzw. die vorhandene als zu gering wahrgenommen. Frauen tendieren hingegen zu Essstörungen und fühlen sich dabei vermehrt zu korpulent (Magersucht). Aber auch bei Sportlern gibt es nicht selten einen Hang zur Essstörungen im Sinne des krankhaften Festhaltens an einem Ernährungsplan.

Wer ist gefährdet?

Besteht die Gefahr nach Sport süchtig zu werden für uns alle? Bislang gibt es noch keine gezielten Studien zu den besonderen Risikogruppen für Sportsucht. Das Interesse nach Leistungssteigerung und gößerer Attraktivität durchzieht wohl alle Schichten und Altersgruppen. Es wird vermutet, dass etwa ein bis drei Prozent der Bevölkerung von exzessiver Bewegung abhängig ist beziehungsweise unter Sportsucht leidet. Jugendliche können aber als besonders gefährdet angesehen werden, weil sie sich besonders stark über äußere  Körpermerkmale definieren und ihre Identität noch nicht gefestigt ist. Auch Menschen in ihrer Lebensmitte, bekannt als sogenannte Mid-Life-Crisis, könnten stärker als andere zu exzessivem Sport neigen.

Auch Frauen sind von Sportsucht betroffen Auch Frauen sind von Sportsucht betroffen(c) getty Images /Jorge Salmerón López
Als Hauptursache für das Entstehen von Süchten werden biografische Krisen wie Scheidung oder der Verlust des Jobs vermutet. Dabei würden die Betroffenen mit einer radikalen Änderung der Lebensumstände konfrontiert, welche mit dem Verlangen nach sportlicher Betätigung überkompensiert werden würde. Zwischen Frauen und Männern gibt es bei der Auswahl der Disziplinen, wo Sportsucht ausgelebt wird, geschlechterspezifische Unterschiede. Männer neigen eher dazu nach extremen Sportarten wie Bodybuilding oder Free-Climbing süchtig zu werden, da dort der Wettkampf oder der Adrenalin-Kick größer zu sein scheint. Bei Ausdauer- oder Fitnesssport ist das Verhältnis hingegen relativ ausgeglichen.

Möglichkeit für Hilfe und Besserung

(c) fotolia.de / animaflora
Professionelle Hilfe durch eine Psychotherapie ist oftmals entscheidend bei der Überwindung von Sucht. Diese beginnt mit der Kontaktaufnahme in einer psychotherapeutischen Sprechstunde oder einer psychosozialen Beratungsstelle, wie es sie an Hochschulen und Universitäten gibt. In den Erstgesprächen kann entscheiden werden, ob eine ambulante Behandlung angemessen ist oder eine zeitlich begrenzte stationäre Verhaltenstherapie zur Entwöhnung angemessen ist.

Die Betroffenen müssen sich ihres Verhaltens bewusst werden und bereit sein Hilfe anzunehmen, um die Abwärtsspirale zu durchbrechen und zur Normalität zurückkehren zu können. Das soziale Umfeld, zu dem auch Selbsthilfegruppen gehören können, trägt unterstützend dazu bei.Voraussetzung ist jedoch immer tatsächlich die Erkenntnis, dass das exzessive Treiben von Sport tatsächlich eine Sucht darstellt.

Auch Lucas L. konnte durch eine erfolgreiche Therapie und guten Halt bei Freunden wieder zu einem gesunden Maß sportlicher Aktivität zurückkehren. Das Verlangen zum exzessiven Trainieren, also die Gefahr eines Rückfalls, spürt er jedoch weiter.

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