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Radiologie

Kontrastmittel: Schränken die Krankenkassen die Therapiefreiheit ein?

Radiologen fordern die Abschaffung exklusiver Ausschreibungen bei Kontrastmitteln
veröffentlicht am 29.06.2023 von Redaktion krankenkasseninfo.de

Radiologie Radiologie(c) getty Images / Elmar Gubisch
Fachärzte der Radiologie und Nuklearmedizin sehen sich zunehmend eingeschränkt bei der Auswahl geeigneter Kontrastmittel. Ein deutschlandweiter Berufsverbund thematisiert das nun öffentlich und nennt das Problem beim Namen: Die exklusive Ausschreibungspraxis der Krankenkassen gefährde die ärztliche Therapiefreiheit.

 

2023-06-29T15:59:00+00:00
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Krankenkassen in einigen Bundesländern wie Rheinland-Pfalz, Saarland, Nordrhein-Westfallen und Schleswig-Holstein bestimmen über Exklusivausschreibungen, welche Kontrastmittel von den untersuchenden Ärzten verwendet werden dürfen. Aspekte wie Verträglichkeit, Produktionsstandort und Patientensicherheit sind dabei laut einer Gruppe kritischer Radiologen nebensächlich. Was in erster Linie zählt, sei der Kostenfaktor, der möglichst niedrig bleiben soll. Ärzte, die sich gegen die Produktwahl der Krankenkassen und damit für den Patienten entscheiden, müssten mit Sanktionen wie Wirtschaftsprüfungen rechnen.

Die von den Kassen empfohlenen Kontrastmittel seien aber nicht nur billiger, sondern enthalten unnötig hohe Dosen des Schwermetalls Gadolinium, teilte die RadiologenGruppe RG20 mit. Dieses werde seit Jahrzehnten in der Magnetresonanztomografie (MRT) eingesetzt und galt  jahrelang als unbedenklich. Mittlerweile habe die Wissenschaft aber herausgefunden, dass sich das Schwermetall, wenn es hoch dosiert verabreicht wird, in bestimmten Hirnarealen anreichern kann. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA nahm daher bereits im Februar 2018 einige Kontrastmittel mit sogenannter „linearer“ Struktur vom Markt. In diesen Produkten sei das in freier Form toxische Gadolinium weniger stabil an die Trägersubstanz angebunden, so Dr. Wolfram Schaeben, Mitglied der RadiologenGruppe 2020 und Vorstandsmitglied des Berufsverbands der Deutschen Radiologen.

Ausschreibung vor Strahlenschutz?

„Makozyklische“ Kontrastmittel kämen allerdings nach wie vor zum Einsatz, da das Gadolinium darin stärker gebunden ist. Komplikationen seien bisher zwar nicht aufgetreten. Dennoch empfehle die EMA eine möglichst geringe Dosis, um die Belastung mit Gadolinium möglichst gering zu halten. Dr. Christoph Buntru, ebenfalls Mitglied der RadiologenGruppe 2020, erklärt, dass in vielen Fällen daher sogar ein Präparat mit bis zu 25 Prozent weniger Gadolinium zur Verfügung stünde. Allerdings fiel die Wahl der Krankenkassen aus Kostengründen auf ein Kontrastmittel mit höherer Dosis. Das bedeute eine aktuell unbekannte Gefahr, so Dr. Buntru, und diese nicht nur für die Patienten: Radiologen müssen bei der Wahl eines Kontrastmittels indikationsabhängig auch Aspekte des Strahlenschutzes berücksichtigen. Trotz der eindeutigen Vorgaben im Strahlenschutzgesetz schränken die Exklusivausschreibungen der Krankenkassen die Therapiefreiheit ein, so Dr. Buntru.

Monopolbildung statt Wettbewerb

Die Exklusivausschreibungen der Krankenkassen gefährden aber nicht nur potenziell die Gesundheit. Auch die Versorgungssicherheit in den radiologischen Praxen wäre dadurch bedroht. Bereits 2022 seien durch die Schließung des Hafens in Shanghai internationale Lieferketten zusammengebrochen, erklärt Dr. Schaeben. Als Folge dessen konnten die, durch die Krankenkassen bezuschlagten Produkte nicht mehr geliefert werden. Und ohne Einschränkungen durften die Radiologen in den betroffenen Regionen keine Ware von anderen Herstellern beziehungsweise Lieferanten beziehen. „So entstehen dann Lieferengpässe und Medikamentenmangel, der bei vielen Erkrankungen − insbesondere Krebsleiden − eine rechtzeitige und damit lebensrettende Diagnosestellung verhindert“, erläutert Dr. Schaeben. Auch heimische Hersteller haben so keine Chance: oft sind es dieselben großen Unternehmen, welche die Ausschreibung gewinnen. Dadurch fördern die Krankenkassen eine eindeutige Monopolbildung.

Dr. Buntru und weitere Radiologen plädieren daher im Sinne der besseren Patientenbetreuung für eine Abschaffung der Exklusivausschreibungen bei Kontrastmitteln.

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