Jährliche Arztbesuche: Deutsche in der EU mit an der Spitze
Auch in Ungarn oder den Niederlanden, in der Türkei, Polen oder Tschechien gehen die Menschen signifikant häufiger zum Arzt als etwa in Spanien oder Italien. Eine große Mehrheit der Europäer sucht vier bis acht mal pro Jahr einen Arzt auf. Skandinavische Länder wie Schweden, Norwegen oder Dänemark hingegen bilden das Schlusslicht in der Tabelle. Dort gehen die Menschen nicht einmal halb so oft zum Arzt wir hierzulande.
 Arztbesuche je Einwohner 2021Datenquelle: OECD
																								Arztbesuche je Einwohner 2021Datenquelle: OECD
																								
																						
  
Die zu Grunde liegenden Zahlen der OECD beziehen sich formal auf alle Einwohner, wobei innerhalb der EU auch nahezu die gesamte Bevölkerung über eine öffentliche oder private Krankenversicherung verfügt. Weiterhin fassen die Zahlen alle persönlich vorgenommenen Hausarzt- und Facharztbesuche zusammen. Krankenhausauftenthalte und Klinikbehandlungen wurden nicht erfasst. Auch telemedizinische Behandlungen blieben weitestgehend außen vor. 
Deutschland vs. Schweden
Auf die Frage, warum gerade die Deutschen vergleichsweise mit an häufigsten einen Arzt aufsuchen, gibt es verschiedene Antworten. Ein möglicher und wahrscheinlicher Grund ist in niedrigen Zugangsschwellen für Arztbesuche zu finden. Im Gegensatz zu skandinavischen Ländern können Patienten in Deutschland auch ohne Überweisung direkt einen Facharzt konsultieren und müssen auch insgesamt weniger Wartezeit auf einen Termin aufbringen. In Skandinavien dagegen gibt es ein Primärarztsystem, in welchem die Hausärzte als Entscheidungsträger eine streng geregelte „Gatekeeper“-Funktion haben. In Schweden oder Frankreich ist für jeden einzelnen Arztbesuch grundsätzlich eine Gebühr zu entrichten, während Arztbesuche nach Abschaffung der Praxisgebühr wieder kostenlos sind im Rahmen einer gesetzlichen Krankenversicherung. Zudem ist die Arztdichte in Deutschland signifikant höher als in dünn besiedelten Ländern wie Schweden oder Norwegen.
Arztstatistiken und Gesundheitsreform
Ein weiterer Grund könnte auch im deutschen Abrechnungssystem liegen. Die bestehende Gebührenordnung honoriert eine einzelne Arztkonsultation nicht sehr üppig, vor allem bei Kassenpatienten. Daher werden häufig mehrere Folgekonsultationen in kurzem Abstand terminlich vereinbart, die eventuell nicht immer zwingend nötig sind aus medizinischer Sicht, aber die quartalsweise erfolgte Abrechnung erhöhen.
Die angekündigte Strukturreform der bestehenden schwarz-roten Koalition verfolgt unter anderem das Ziel, die Facharztpraxen zu entlasten. Eine der ausdrücklichen Reformvorhaben ist die Einführung eines Primärarztsystems, in welchem die Hausärzte eine verbindliche koordinierende Rolle zugewiesen bekommen. Sollte die Reform so kommen, dürfte sich die Zahl der Facharztbesuche deutlich reduzieren.

 
																 
																 
																 
																