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Digital Health

EU will digitale Zwillinge in der Gesundheitsversorgung etablieren

Hoffnung auf bessere, schnellere und individualisierte Medizin
veröffentlicht am 15.07.2025 von Redaktion krankenkasseninfo.de

Digitale Zwillinge als Zukunftsprojekt Digitale Zwillinge als Zukunftsprojekt(c) Getty Images / metamorworks
Die Europäische Kommission treibt die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung mit einem ehrgeizigen Zukunftsprojekt voran: Virtuelle „digitale Zwillinge“ sollen in den kommenden Jahren eine zentrale Rolle bei Diagnostik, Therapieplanung und klinischen Studien spielen. Noch fehlen verbindliche Standards – doch das soll sich bald ändern.

2025-07-15T18:26:00+02:00

Einblicke in die Pläne gab die Biomechanik-Professorin Lisbet Geris (Universität Lüttich / KU Leuven) auf dem GenomDE-Symposium der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung (TMF). Sie koordiniert die von der EU geförderte Initiative EDITH – Ecosystem for Digital Twins in Healthcare, die den Aufbau eines europäischen Netzwerks digitaler Zwillinge zum Ziel hat.

Was sind digitale Zwillinge im Gesundheitswesen?

Digitale Zwillinge sind computergestützte Modelle, die biologische Systeme wie Organe, Zellen oder ganze Organismen auf Basis individueller Gesundheitsdaten nachbilden. Im Gegensatz zur Industrie, wo digitale Zwillinge oft Maschinen oder Prozesse in Echtzeit abbilden, liegt der Fokus im Gesundheitswesen auf personalisierter Modellierung. Verwendet werden dazu Patientendaten wie Genomsequenzen, bildgebende Verfahren, Krankheitsverläufe oder Vitalparameter.

Diese digitalen Abbilder ermöglichen z. B. die Simulation von Medikamentenwirkungen, die Planung von Operationen oder die Analyse von Krankheitsverläufen. Geris betont: „Wir werden nicht nur einen digitalen Zwilling haben, sondern viele – von einzelnen Zellen bis hin zum gesamten Organismus oder sogar eingesetzten Therapien.“

Anwendungsbeispiele reichen von der Blutzuckerregulation bei Diabetes, über die Entwicklung personalisierter Inhalatoren bis hin zur Simulation des Herzohrs bei Patient:innen mit Vorhofflimmern. Die Methode hat Potenzial: Bereits 2018 ließ die US-Behörde FDA eine Medtronic-Herzschrittmacher-Elektrode nach virtuellen Tests und Tierversuchen zu – was Zeit und Kosten sparte.

Europäische Infrastruktur im Aufbau

Ein zentrales Anliegen der EU ist es, die bisher fragmentierten Einzelprojekte im Bereich digitaler Zwillinge zu bündeln. Dazu entsteht mit dem Virtual Human Twin (VHT)-Programm eine skalierbare, interoperable Infrastruktur, die Zugang zu verteilten Gesundheitsdaten ermöglichen soll – etwa aus elektronischen Patientenakten, medizinischen Registern oder Genomdatenzentren. Die geplante Simulationsplattform sammelt die Daten nicht selbst, sondern greift als föderiertes System auf bestehende Datenräume zu, wie den European Health Data Space.

Parallel dazu arbeitet die EU daran, ethische und rechtliche Leitlinien zu entwickeln: Datenschutz, Nachvollziehbarkeit von KI-Modellen, Schutz der Privatsphäre und die Einbindung von Patienten sollen für Vertrauen und Akzeptanz sorgen. Dafür wurden Informationsmaterialien und Fokusgruppen ins Leben gerufen.

Herausforderungen und Roadmap

Trotz wachsender Dynamik sieht Geris noch große Herausforderungen: Es fehlen verbindliche technische und rechtliche Standards, nationale Initiativen arbeiten oft isoliert und sind nicht interoperabel. Auch Fragen zur Haftung und zum Einsatz synthetischer Daten sind bisher ungeklärt. Daher hat die EU gemeinsam mit Wissenschaft, Industrie, Kliniken und Patientengruppen eine umfassende Roadmap mit 30 Handlungsempfehlungen erarbeitet, die demnächst veröffentlicht werden soll.

Blick in die Zukunft

Die Initiative zu digitalen Zwillingen ist Teil einer umfassenderen EU-Strategie, die Digitalisierung, Biomedizin und Künstliche Intelligenz enger verzahnen will. Prognosen zufolge wird der Markt für medizinische digitale Zwillinge in den nächsten Jahren stark wachsen. Die Hoffnung dabei: eine bessere, schnellere und individualisierte Medizin – von der Diagnose bis zur Therapieentscheidung.

Ob digitale Zwillinge sich in der breiten Gesundheitsversorgung durchsetzen, wird sich zeigen – das Potenzial ist jedenfalls enorm.

Quelle: heise.de

 

 

 

 

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