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Krankenkassen

Scheinversicherte "Karteileichen" kommen Krankenkassen teuer zu stehen

Den Kassen drohen Rückzahlungen in Milliardenhöhe
veröffentlicht am 21.01.2019 von Redaktion krankenkasseninfo.de

Erntehelfer als Saisonkräfte Erntehelfer als Saisonkräfte(c) Rainer Sturm / pixelio.de
Im Streit um die Rückzahlung von Geldern, die die Krankenkassen für Scheinversicherte erhalten haben, liegen neue und konkrete Zahlen vor. Experten beziffern die Höhe der Rückzahlung mit mindestens 1,5 Milliarden. Aber es könnte noch teurer für die Kassen werden.

2019-01-21T12:01:00+00:00
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Scheinversicherte überwiegend bei den AOK

Demnach beläuft sich die Zahl solcher „virtueller Versicherten“, die sich gar nicht in Deutschland aufhalten, aber durch eine Anschlussversicherung nach kurzfristigen Jobs noch in den Karteien geführt werden, auf circa 275.000 Fälle. Mehr als zwei Drittel davon entfallen auf die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK), 20 Prozent auf die Ersatzkassen. Die restlichen zehn Prozent teilen sich in etwa die Betriebs- und die Innungskrankenkassen. Laut Versichertenentlastungsgesetz sind alle Kassen nun verpflichtet, ihre Mitgliederstatistiken rückwirkend bis 2013 zu bereinigen, die Karteileichen herauszufiltern und die unrechtmäßig erhaltenen Zuschüsse aus dem Gesundheitsfonds zurückzuzahlen.  

Vorsichtige Schätzungen

Dabei kommen recht stattliche Summen zustande, wie Finanzexperten nun dem Handelsblatt vorrechneten. Nach vorsichtigen Schätzungen unter mildernden Grundannahmen haben die Kassen mehr als 1,5 Milliarden Euro zurückzuzahlen, mehr als die Hälfte davon allein die AOKn. Wenn wie gefordert auch diejenigen Fälle hinzukommen, die mittlerweile beendet wurden und aus
der Statistik bereits herausfielen, dürfte die Rückzahlungssumme wesentlich höher ausfallen.  

Die Karteileichen sind durch die 2010 eingeführte Pflicht zur 'obligatorischen Anschlussversicherung' entstanden. In vielen dieser Fälle handelte es sich um kurzfristig beschäftigte Erntehelfer, deren Versicherung nach Einverständniserklärung auf dem Papier weiter bestand. Beiträge zahlten die Anschlussversicherten kaum und die Beitragsschulden wuchsen. Das störte die Kassen aber nicht, denn auch für säumige Mitglieder können sie Zuschüsse aus dem Gesundheitsfonds erhalten.

vdek-Beschwerde alarmierte Öffentlichkeit

Auf diese Weise wurden aus den Erntehelfern eine lukrative Versichertengruppe für die Kassen, die die günstige Gesetzeslage eifrig zu nutzten wussten. Bis des dem Verband der Ersatzkassen zu bunt wurde und dieser 2016 Beschwerde über die AOK beim Bundesversicherungsamt einlegte. Der AOK-Bundesverband wies die Vorwürfe zurück, sich wissentlich und gezielt an den Anschlussversicherten bereichert zu haben. Dennoch ist es nicht von der Hand zu weisen, dass das Gros der Scheinverhältnisse bei einer Allgemeinen Ortskrankenkasse besteht.   

Der Gesundheitsminister übernahm die Problematik in das Versichertenentlastungsgesetz, wo die Pflicht zur Bereinigung und Rückzahlung nun verankert ist - zum Wohle aller Versicherten.

 

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