Asylbewerber / Flüchtlinge
Generell gilt, dass zufluchtsuchende Menschen ab dem Zeitpunkt der Registrierung in Deutschland sich erst 15 Monate im Land aufhalten müssen, bevor sie von einer gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen werden können. Ab dann werden sie regulär von einer Krankenkasse betreut und haben die gleichen Ansprüche wie alle Krankenkassenmitglieder.
Rechtliche Grundlagen
Tritt eine Krankheit oder ein Notfall innerhalb der ersten 15 Monate nach der Registrierung auf, sind Art, Dauer und Höhe der Soziallleistungen für die Asylsuchenden, Geduldeten oder Bürgerkriegsflüchtlinge im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) festgeschrieben. Darunter fällt auch die gesundheitliche Versorgung. So stehen Flüchtlingen bei akuten Schmerzzuständen oder Erkrankungen eine Versorgung mit entsprechenden Arznei- und Verbandsmitteln selbstverständlich zu. Auch chronische Erkrankungen, die akut handlungsbedürftig sind, müssen behandelt werden. Außer dem sind Leistungen vorgesehen, die zur Genesung, Besserung oder Linderung der Krankheiten beitragen und möglichen Folgeerkrankungen oder-schmerzzuständen vorbeugen. Auch müssen amtlich empfohlene Schutzimpfungen und Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt werden. Im Falle einer Schwangerschaft stehen den geflüchteten Frauen uneingeschränkt sämtliche GKV-Leistungen, sowohl im Verlauf der Schwangerschaft, als auch bei der Entbindung (inkl. Hebammenhilfe und Pflege) zu. Diese Leistungsansprüche sind im § 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes festgeschrieben. Weniger exakt sind die rechtlichen Regelungen zur Inanspruchnahme von sonstigen Leistungen formuliert. So steht im § 6 des AsylbLG, dass Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis zum vorübergehenden Schutz haben (Aufenthaltsgesetz § 24), erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe gewährt wird. Darunter fällt die psychologische Betreuung von Personen und insbesondere minderjährigen unbegleiteten Geflüchteten, die Folter, Vergewaltigung und andere schwere Formen von psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben. Auch können im Einzelfall Sachleistungen zur Sicherung der Gesundheit gewährt werden. Nur beim Vorliegen besonderer Umstände können Geldleistungen ausgezahlt werden. Aufgrund der uneindeutigen Formulierung gibt es keine bundesweit einheitliche Umsetzung bei der Inanspruchnahme dieser Leistungen. Generell gilt: Die Organisation und Finanzierung der gesundheitlichen Versorgung von Flüchtlingen wird von den Kommunen strukturiert und finanziert. Deshalb ist die Umsetzung der oben beschriebenen Leistungen von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich.
Behandlungsschein vom Sozialamt
Die Umsetzung der medizinischen Versorgung für Flüchtlinge läuft von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich. Politische Entscheidungen haben in den letzten Jahren zu grundlegenden Änderungen der gesundheitlichen Versorgung geführt. Viele Länder befinden sich noch im Prozess der politischen Entscheidungsfindung oder Implementierung. In den Stadtstaaten und einigen Bundesländern wurde die elektronische Gesundheitskarte für Asylbewerber / Flüchtlinge eingeführt oder soll in nächster Zeit realisiert werden. In den Ländern, in denen die elektronische Gesundheitskarte politisch abgelehnt wurde oder sich die Implementierung noch in der Umsetzungsphase befindet, muss in der Regel ein Behandlungsschein vom Sozialamt ausgestellt werden, durch den der Flüchtlinge berechtigt ist einen Arzt aufzusuchen. Die Abrechnung erfolgt durch den Krankenschein direkt zwischen dem medizinischen Personal, bzw. der Praxis oder des Krankenhauses mit der Sozialbehörde. Da dieses Verfahren für Flüchtlinge und Sozialamt gleichermaßen sehr aufwendig ist, haben sich einige Länder für die Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte entschieden. Damit ist der bürokratische Mehraufwand für alle Beteiligten nicht nur erheblich geringer. Auch gehen Experten davon aus, dass die Kosten für die Kommunen im Vergleich zum bisherigen Krankenschein-Verfahren deutlich geringer sind. Das gilt zumindest in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg, da das System der medizinischen Versorgung im Vergleich zu den Flächenländern ganz anders organisiert ist.
Bremer Modell - Medizinische Versorgung durch die Gesundheitskarte (eGK)
Durch die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte in einigen Bundesländern sollen bürokratischen Hürden abgebaut, den Flüchtlingen der Besuch beim Arzt erleichtert werden und so eine rasche medizinische Versorgung garantiert werden. In der Regel bekommen Asylsuchende nach der Registrierung in den oben genannten Ländern zunächst eine vorläufige Bescheinigung der Krankenkasse und wenig später die Gesundheitskarte zugeschickt. Mit beiden Dokumenten können Ärzte frei gewählt und aufgesucht werden. Die Abrechnung der Gesundheitsleistungen erfolgt über die elektronische Karte, genau wie bei anderen gesetzlich Versicherten. Die Kosten werden vom Sozialamt oder dem Land getragen.
Das ‚Bremer Modell’ in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg
Die Gesundheitskarte wurde erstmals 2005 im Stadtstaat Bremen implementiert. Viele andere Länder orientieren sich im politischen Entscheidungsprozess an dem sogenannten ‚Bremer Modell’, in dem die Krankenversorgung durch eine Kombination der Leistungsansprüche durch die Gesundheitskarte und der möglichen Inanspruchnahme medizinischer Sprechstunden in der Unterkunft gesichert wird. Es existiert ein Vertrag zwischen der AOK Bremen/Bremerhaven und der Sozialbehörde Bremen, der den praktischen Leistungsumfang nach § 4 des AsylbLG (siehe rechtliche Grundlagen) regelt. Außerdem können sonstige Leistungen bei der AOK beantragt werden. Darunter fallen u.a. Zahnersatz, Sehhilfen, Vorsorgekuren, Kieferorthopädische Behandlungen etc. Auch kann eine psychotherapeutische Betreuung beantragt werden, allerdings werden ausschließlich Kurzzeittherapien bewilligt. Dadurch ist zwar eine psychiatrische aber keine dauerhafte psychotherapeutische Behandlung möglich. In Hamburg wurde 2012 auf Grundlage des ‚Bremer Modells’ ebenfalls die Gesundheitskarte für Flüchtlinge eingeführt. Auch dort bekommen Flüchtlinge nach der Registrierung eine Gesundheitskarte von der AOK zugeschickt. Der Leistungsumfang ist wie in Bremen an den Leistungskatalog des AsylbLG angelehnt, sonstige Leistungen können bei der AOK beantragt werden. Seit Januar 2016 gibt es auch eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge in Berlin. Der Berliner Senat hat einen Rahmenvertrag mit verschiedenen Krankenkassen geschlossen, der Leistungsanspruch orientiert sich wie in Bremen und Hamburg an dem AsylbLG. Explizit ausgeschlossen sind unter anderem künstliche Befruchtungen und Sterilisation, sowie Vorsorgekuren. Anders als in Bremen und Hamburg liegt die Entscheidung über die medizinische Behandlung, inklusiver der sonstigen Leistungen zur Sicherstellung der Gesundheit (wie psychotherapeutische Betreuung) nicht bei den Krankenkassen, sondern bei dem behandelnden medizinischen Personal.
Landesweite Implementierung im Flächenland Schleswig-Holstein
Auch in Schleswig-Holstein wurde die elektronische Gesundheitskarte 2016 flächendeckend eingeführt. Insgesamt zehn gesetzliche Krankenkassen sichern auf Grundlage eines Rahmenvertrages mit der Landesregierung die medizinische Versorgung der Flüchtlingen. Weitere Informationen über die Umsetzung finden Sie hier.
Einführung der Gesundheitskarte in NRW
Als erstes Flächenland hat Nordrhein-Westfalen 2015 einen Rahmenvertrag zur Einführung einer Gesundheitskarte für Flüchtlinge mit verschiedenen Krankenkassen geschlossen. Die Finanzierung und Umsetzung der gesundheitlichen Versorgung der Flüchtlingen wird weiter auf kommunaler Ebene geregelt und noch nicht alle Kommunen haben sich für die Einführung der Gesundheitskarte ausgesprochen. In einigen Kommunen wurde die Karte bereits eingeführt, in anderen hat die Umsetzung Anfang 2017 begonnen. Auch haben sich Kommunen zunächst für die Einführung eines Pilotprojektes ausgesprochen, in dem Erfahrungen mit der elektronischen Gesundheitskarte für Flüchtlinge gesammelt werden sollen. Eine genaue Übersicht finden Sie hier. Anders als in Hamburg und Bremen werden die Verwaltungskosten mit 8 Prozent vom Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen getragen. In dem Flächenland sind die Verwaltungskosten deutlich höher als in den Stadtstaaten, weshalb eine Bezuschussung unbedingt notwendig ist. Nach der Laufzeit von einem Jahr soll die Finanzierung der Verwaltungskosten geprüft und evaluiert werden, um eventuelle Anpassungen vornehmen zu können. Der Leistungsumfang ist ebenfalls an das AsylbLG angelehnt, sonstige Leistungen wie Befruchtung, Zahnersatz etc. müssen von den Sozialämtern genehmigt werden.
>>Mehr Infos zum Bremer Modell
Weitere Bundesländer auf dem Weg zur flächendeckenden Implementierung
In weiteren Bundesländern befindet sich die Implementierung der elektronischen Gesundheitskarte entweder in der Umsetzung oder im politischen Entscheidungsprozess. Eine gute Übersicht über den aktuellen Stand in den einzelnen Ländern gibt das Informationsportal Gesundheit für Geflüchtete. Auf der interaktiven Karte können Informationen für jedes Bundesland abgerufen werden und der politische Status der Gesundheitskarte wird regelmäßig aktualisiert. Zuletzt wurde die elektronische Gesundheitskarte für Flüchtlinge am 01.01.2017 in Thüringen eingeführt.
Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Saarland
Nur in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und im Saarland ist die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte politisch abgelehnt worden. Das Saarland stellt derzeit noch einen Ausnahmefall dar, in dem es keine Vorschriften über die Umsetzung der gesundheitlichen Versorgung der asylsuchenden Flüchtlinge gibt.
Krankenschein über die Sozialbehörde beantragen
In den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen wurde die Einführung der Gesundheitskarte auf Länderebene abgelehnt. Da die Organisation und Finanzierung der medizinischen Versorgung der Flüchtlinge aber auf kommunaler Ebene entschieden wird, steht es einzelnen Kommunen frei, eine elektronische Gesundheitskarte einzuführen. In einem Großteil der Kommunen läuft die Versorgung im Krankheitsfall also nach wie vor über einen Krankenschein, der bei der zuständigen Sozialbehörde beantragt werden muss. Wird dieser ausgestellt, können die Asylsuchenden entsprechend medizinisches Fachpersonal zur Behandlung aufsuchen. Dabei ist grundsätzlich zwischen zwei Arten des Krankenscheins zu unterscheiden. Einige Länder und Kommunen vergeben ausschließlich Einzelkrankenscheine, der dem behandelnden ärztlichen Personal vorgelegt werden muss. Reicht eine Behandlung nicht aus, muss jede weitere Maßnahme beim Sozialamt vorgetragen, geprüft und genehmigt werden. In anderen Ländern und Kommunen werden pauschal Krankenscheine für das laufende Quartal ausgestellt. Teilweise werden diese auch per Post zugestellt. Dann muss nicht jeder Arztbesuch neu beantragt werden. Die Überweisung an medizinisches Fachpersonal oder die stationäre Behandlung in einem Krankenhaus bedarf allerdings einer erneuten Prüfung durch das Sozialamt und die Notwendigkeit der Behandlung muss durch den erstbehandelnden Arzt bescheinigt werden. Im Falle eines Notfalls kann auf die Ausstellung eines Einzelkrankenscheins verzichtet werden. Die Abrechnung erfolgt dann direkt zwischen Praxis, bzw. Krankenhaus und dem Sozialamt. In Sachsen gibt es sogenannte ‚Internationale Ambulanzen’ oder ‚Modellpraxen’, die das Gesundheitssystem entlasten und die gesundheitliche Versorgung der Geflüchteten sicher stellen sollen. Dort arbeitet ärztliches Personal, das mehrere Sprachen spricht und zusätzlich von Dolmetschern unterstützt wird. Für die ‚Internationalen Ambulanzen’ ist ein Behandlungs- oder Krankenschein unbedingt notwendig. In den ‚Modellpraxen’ arbeiten vor allem Ärzte und Einrichtungen, die bislang nicht an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung der Geflüchteten teilgenommen haben. Es existieren Rahmenvereinbarungen, durch die ambulante Leistungen nach dem AsylbLG angeboten und mit dem Sozialamt abgerechnet werden können.
Kritikpunkte an der medizinischen Versorgung durch Krankenscheine
An der Krankenschein-Regelung wird zu recht kritisiert, dass medizinisch ungeschultes Personal in den Sozialämtern über die Notwendig einer ärztlichen Behandlung im Krankheitsfall entscheiden soll. Es wird nicht nur darüber entschieden, ob eine Behandlung notwendig ist, auch wird festgelegt, ob es sich um eine akute, schmerzhafte oder chronische Erkrankung handelt. Aus dieser Einteilung ergeben sich drastische Folgen für die weitere medizinische Behandlung. So heißt es im Asylbewerberleistungsgesetz wörtlich, dass „akute[r] Erkrankungen und Schmerzzustände[n]“(§ 4, AsylbLG) behandelt werden müssen. Das Gesetz kann also dahingehend ausgelegt werden, dass chronische Erkrankungen nicht unbedingt behandlungswürdig sind. Doch woher weiß das medizinisch-ungeschulte Personal in den Sozialämtern, ab wann eine Erkrankung chronisch und nicht mehr akut ist? Und wie wird mit chronischen Krankheitsbildern umgegangen, die akute Schmerzzustände hervorrufen? Der Gesetzestext weist drastische Leerstellen auf, wodurch sich erhebliche Unterschiede in der Auslegung des Gesetzes ergeben. Die Geflüchteten sind im höchsten Maße abhängig von den subjektiven Entscheidungen des ungeschulten Personals in den Sozialämtern und es mangelnd an eindeutigen, rechtlichen Regelungen. Aus dem Gesetz geht außerdem nicht hervor, wie eine reibungslose Kommunikation zwischen den Geflüchteten und dem Personal im Sozialamt gewährleistet werden soll. Generell gibt es keine Regelung zur Kostendeckung von Dolmetschern, die für das Gelingen einer medizinischen Behandlung eigentlich unabdingbar sind. Außer dem kann die Vorlage des Krankenscheins eine Sonderbehandlung in der Praxis oder im Krankenhaus zur Folge haben. Während es bei den Gesundheitskarten weitgehend anonym bleibt, ob es sich um eine geflüchtete Person oder ein reguläres Mitglied in der Krankenkasse handelt, degradiert die Vorlage des Krankenscheins den Patienten offensichtlich auf den Status eines Asylbewerbers. Dadurch wird eine vorurteilsfreie Behandlung und vorbehaltlose Beurteilung der medizinischen Situation erschwert.
Die medizinische Versorgung von Menschen ohne Aufenthaltsstatus in Deutschland
Die medizinische Versorgung von Menschen, die ohne Aufenthaltsstatus, also illegal, in Deutschland leben gestaltet sich um einiges schwieriger. Da sie über keinen Aufenthaltstitel verfügen, können sie weder Mitglied einer Krankenkasse werden, noch wird die medizinische Versorgung im Not- oder Krankheitsfall durch die Gesundheitskarte oder einen Krankenschein von der Sozialbehörde gedeckt. Deshalb fürchten sich viele vor einer Abschiebung, wenn sie eine Praxis oder ein Krankenhaus aufsuchen. Nach § 1 I Nr. 5 in Verbindung mit § 4 AslybLG haben aber auch Menschen ohne Aufenthaltsstatus ein Recht auf medizinische Behandlung. Doch müssen die medizinischen Leistungen im Krankheitsfall vor dem Arztbesuch beim Sozialamt genehmigt werden, damit die Praxen oder Krankenhäuser die Behandlung später abrechnen können. In diesem Fall hat das Sozialamt eine rechtliche Meldepflicht bei der zuständigen Ausländerbehörde. Anders verhält es sich im Notfall: Dann unterliegen die Ärzte einer rechtlichen Untersuchungs- und Behandlungspflicht, auch wenn die Bezahlung der erbrachten Leistungen noch unklar ist. Rechnet der Arzt oder das Krankenhaus direkt mit dem Sozialamt ab, sind beide Seiten zur Wahrung des Privatgeheimnisses verpflichtet. Unter einem medizinischen Notfall fällt auch die Geburt eines Kindes, jedoch keine Vorsorgeuntersuchungen.
Im Internet informieren zahlreiche Seiten über Möglichkeiten und Rechte von Menschen ohne Aufenthaltsstatus im Not- oder Krankheitsfall.