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Ernährung

Weniger süß, weniger dick, weniger krank: AOK macht mobil gegen Zucker

Gemeinsam mit NGOs und der Diabetes-Gesellschaft gegen den Zuckerkonsum
veröffentlicht am 12.10.2018 von Redaktion krankenkasseninfo.de

Weniger Zucker Weniger Zucker(c) Günther Gumhold / pixelio.de
Die Zahl der Übergewichtigen in Deutschland nimmt stetig zu. Haben wir bald US-amerikanische Verhältnisse? Zusammen mit foodwatch, der Deutschen Diabetes Gesellschaft und weiteren Organisationen sagt die AOK dem Zuckerkonsum in Deutschland den Kampf an und will dabei auf aktuelle Entwicklungen reagieren. Wie kann das gelingen?

2018-10-12T13:22:00+00:00
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Jeder zweite Deutsche hat Übergewicht - Jugendliche und Kinder steigend

Laut der vom Robert-Koch-Institut durchgeführten „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ (DEGS1), die von 2008 bis 2011 durchgeführt wurde, sind über die Hälfte der in Deutschland lebenden Erwachsenen übergewichtig. Konkret wurden 67,1 Prozent der Männer und 53 Prozent der Frauen mindestens präadipös eingestuft. Fast ein Viertel der Erwachsenen (23,3 Prozent der Männer und 23,9 Prozent der Frauen) gelten als adipös. Diese Werte sind gegenüber einer vergleichbaren Studie von 1998 gestiegen. Besonders rasant zeigt sich die Zunahme von Adipositas bei jungen Erwachsenen.

Eine weitere Langzeitstudie des RKI belegt die Annahme, dass sich Übergewicht und Adipositas bei Heranwachsenden auf einem hohen Niveau stabilisiert haben. Demnach sind gut 15 Prozent der Heranwachsenden übergewichtig und knapp 6 Prozent sind adipös. Aus der Studie geht ebenfalls hervor, dass Kinder und Jugendliche, die aus einem niedrigen sozioökonomischen Umfeld kommen, deutlich häufiger von Übergewicht und Adipositas betroffen sind. Erklärtes Hauptziel der „Aktion Weniger Zucker“ ist es, dieser Entwicklung entgegen zu wirken und entsprechende Angebote für die gesamte Bevölkerung zu schaffen.

Laut dem gemeinsamen Grundsatzpapier der „Aktion Weniger Zucker“ können Übergewicht und Adipositas zu Diabetes oder Herz-Kreislauferkrankungen führen. Neben dem individuellen Leid dürfe dem Grundsatzpapier zu Folge dabei auch nicht außer Acht gelassen werden, dass durch Folgeerkrankungen Kosten von bis zu 63 Milliarden Euro für das Solidarsystem verursacht werden.

Politische Maßnahmen gegen Übergewicht

Ein wichtiges Handlungsfeld der „Aktion Weniger Zucker“ ist es die Industrie davon zu überzeugen, den Anteil vom zugesetzten Zucker in Lebensmitteln schrittweise zu reduzieren. In der Vergangenheit sind mehrfach Forderungen nach einer Zuckersteuer auf süße Getränke laut geworden. Jüngst sprach sich ein Zusammenschluss aus über 2000 Ärzten, Fachorganisationen und Krankenkassen für die Besteuerung von Limonaden aus. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) wies diese „Strafsteuer“ entschieden zurück. Lieber wolle sie sich für einen umfassend gesünderen Lebensstil einsetzen. Auf dem Zuckergipfel hielt Klöckner einen Vortrag unter dem Thema "Essen ist Privatsache. Wann der Staat sich trotzdem einmischen muss“.

„Die Politik darf nicht länger vor der Lebensmittel-Lobby einknicken“

Der Titel lässt vermuten, dass es für das Bündnis schwer werden könnte, rechtsverbindliche Maßnahmen gegen Zucker in Limonaden durchzusetzen. Immerhin will Klöckner jetzt Zucker und andere süßende Zutaten in Kindertees verbieten lassen. Außerdem soll es vermehrt Bildungs- und Aufklärungsangebote geben, um ein Bewusstsein für ganzheitlich gesunde Ernährung in allen Bevölkerungsschichten zu schaffen.

Jens Kuschel, Sprecher von AOK Nordwest, ist das nicht genug: „Die Politik darf nicht länger vor der Lebensmittel-Lobby einknicken“. Es bleibt abzuwarten, ob die Forderungen der „Aktion Weniger Zucker“ auch bald politisch Gehör finden.Nach Auffassung der Organisatoren fehle es in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern an konkreten politischen Maßnahmen gegen Übergewicht, die auch gesetzlich verankert sein müssen. Das will „Aktion Weniger Zucker“ ändern und präsentierte in Berlin vier zentrale Forderungen:

  • Verbot für an Kinder gerichtete Werbung für zuckerreiche oder andere hochkalorische Lebensmittel
  • Für alle Bevölkerungsgruppen verständliche Lebensmittelkennzeichnung
  • Steuerliche Anreize für die Lebensmittelindustrie, gesündere Rezepturen zu entwickeln
  • Verbindliche Standards für die Kita- und Schulverpflegung

Zuckersteuer und Fettsteuer: Beispiele aus anderen Ländern

Süße Soft Drinks wie Cola und Limonade werden in einigen EU-Ländern besteuert. Süße Soft Drinks wie Cola und Limonade werden in einigen EU-Ländern besteuert.(c) Fotolia.de / Vikivector
Im Vergleich zu anderen Ländern passiert in Deutschland noch recht wenig, um sich dem Problem von zuckerhaltiger Ernährung anzunehmen. In Großbritannien müssen Hersteller von Getränken mit einem hohen Zuckergehalt seit Frühjahr 2018 höhere Abgaben zahlen. Auch in unserem Nachbarland Dänemark genießt Ernährungspolitik einen deutlich höheren Stellenwert. Neben gesundheitlicher Aufklärung ist ungesundes Essen deutlich teurer als in Deutschland. Von 2011 bis 2013 gab es dort sogar eine Fettsteuer, die allerdings wieder abgeschafft wurde, als Politik und Wirtschaft realisiert haben, dass dadurch immer mehr Konsumenten in Deutschland einkaufen gingen.

Und selbst der Blick über den europäischen Tellerrand hinaus zeigt, dass weltweit politische Maßnahmen gegen ungesundes Essen beschlossen werden. In Chile wurde im Juni 2018 ein Gesetz zur besonderen Kennzeichnung von Produkten mit einem hohen Zucker-, Natrium- oder Fettgehalt verabschiedet. Außerdem darf sich das Marketing von Produkten mit entsprechendem Warnhinweis nicht mehr gezielt an Kinder unter 14 Jahren richten. Deshalb sieht sich beispielsweise Kellogg’s dazu gezwungen, Zeichentrickfiguren von ihren Verpackungen zu entfernen.

Die Rolle der Medien bei übergewichtigen Kindern – EU-Pledge wirkungslos

Süße Soft Drinks sind mit verantwortlich für Diabetes und Übergewicht bei Kindern Süße Soft Drinks sind mit verantwortlich für Diabetes und Übergewicht bei Kindern(c) Fotolia.de / Monkey Buisiness
Laut „Aktion Weniger Zucker“ sehen oder hören Kinder pro Tag durchschnittlich 8 bis 22 mal Werbung, die vorwiegend ungesunde Produkte lobpreisen. Dieser Gefahr sind sich Gesundheitsverbände und Politik auf nationaler wie internationaler bewusst, weshalb sich 2007 im sogenannten EU-Pledge 19 große Lebensmittelhersteller dazu verpflichteten, keine unausgewogenen Produkte bei Kindern unter 12 Jahren zu bewerben. Verpflichtet haben sich unter anderem Firmen wie Coca-Cola, Burger King und Nestlé. Laut Online-Plattform foodwatch  läuft die Vermarktung von ungesunden Produkten an Kinder seit Jahren einfach weiter, ohne das die Lebensmittelhersteller Konsequenzen tragen müssen. Foodwatch-Experte für Lebensmittelwerbung Oliver Huizina sagt: „Unausgewogene Produkte dürfen nicht länger an Kinder vermarktet werden – ohne klare gesetzliche Vorgaben werden funny-frisch, Nestlé & Co. weiterhin auf allen Kanälen Kinder mit Junkfood ködern.“

Werbemedien kaum kontrollierbar

(c) Michèle Lietz / pixelio.de (c) Michèle Lietz / pixelio.de(c) Michèle Lietz / pixelio.de
Die Werbung wird in erster Linie durch Massenmedien wie Internet und Fernsehen transportiert. Experten sehen deshalb auch eine große Gefahr in der steigenden Benutzung von Smartphones, da Werbung Heranwachsende immer unkontrollierter erreicht. Ein Verbot von an Kinder gerichteter Werbung für ungesunde Produkte wird ohne rechtliche Regelungen nicht möglich sein, weshalb das Bündnis auf die Zusammenarbeit mit der Politik angewiesen ist.

Mehr Gestaltungsmöglichkeiten scheinen bei der Kita- und Schulverpflegung möglich. Neben dem Elternhaus verbringen die Kinder und Jugendlichen hier einen Großteil ihrer Zeit und werden maßgeblich beeinflusst. Deshalb will sich die „Aktion Weniger Zucker“ für verbindliche Standards in der Verpflegung in Kita und Schule stark machen. Darüber hinaus soll speziell im schulischen Umfeld das Bewusstsein für gesunde Ernährung gestärkt werden, beispielsweise durch Lehrer, Peers und entsprechende Schulmaterialien.

Zuckergehalt auf Produkten kennzeichnen

Außerdem fordert die „Aktion weniger Zucker“eine verständliche Kennzeichnung, des in verschiedenen Lebensmitteln enthaltenen Zuckers. Viele Produkte sind stark verarbeitet und bekommen viel Zucker zugesetzt, bevor sie im Supermarktregal die Konsumenten locken. In vielen Fällen wissen die Verbraucher nicht, wie viel Zucker die Lebensmittel erhalten. Auch wer sich die Inhaltsstoffe auf der Rückseite genau durchliest, ist nicht unbedingt schlauer. Denn in vielen Fällen wird Zucker nicht als solcher kenntlich gemacht, sondern wird durch alternative Süßstoffe oder Fruchtsüße hinzugefügt. Das will das Bündnis unbedingt ändern.

In der Vergangenheit ist der Bundesverband der AOK bereits mit gutem Beispiel vorangegangen. So wurde die App ‚AOK Gesund Einkaufen’ entwickelt, der wie ein Lebensmittelscanner funktioniert und direkt beim Einkauf die Zucker-, Fett- und Salzanteile von Produkten in Form einer Nährwertampel oder eines Zuckerwürfel-Rechners angibt. Im Rahmen des Zuckerreduktionsgipfel hat der AOK-Bundesverband außerdem einen ersten transparenten Supermarkt in Berlin eröffnet, der den tatsächlichen Zuckergehalt von Lebensmittel aus dem Discounter anzeigt.

 

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