"Wir wollen die Zusatzbeiträge wieder abschaffen"
Grüne Gesundheitspolitik im WahlkampfIn den letzten vier Jahren sind die Krankenkassenbeiträge für die Versicherten um mehr als ein ganzes Prozent gestiegen. Der Zusatzbeitrag wird weiter ansteigen und bald 2 Prozent und mehr betragen. Von nachhaltiger Finanzierung kann also keine Rede sein. Werden die GRÜNEN diese Entwicklung mit tragen?
Unser Gesundheitswesen steht mit dem demographischen Wandel und dem medizinischen Fortschritt vor großen Herausforderungen. Es benötigt eine stabile, verlässliche und gerechte finanzielle Basis, damit sich auch in der Zukunft alle Menschen zu bezahlbaren Beiträgen versichern können und gut versorgt werden. Das wollen wir mit der grünen Bürgerversicherung erreichen. Sie schafft mehr Solidarität, Wahlfreiheit und eine bessere Versorgung für alle. In einem ersten Schritt wollen wir die allein von den Versicherten zu zahlenden Zusatzbeiträge wieder abschaffen.
Auf Landesebene regieren die GRÜNEN derzeit in drei Bundesländern gemeinsam mit der CDU, in Schleswig-Holstein sogar mit der FDP. Würde eine grüne Gesundheitspolitik ( Stichwort Bürgerversicherung ) in einer derartigen Konstellation auf Bundesebene nicht untergehen?
Die genannten Koalitionsvereinbarungen zeigen allesamt, dass es auch in ungewöhnlichen Zusammensetzungen möglich ist, wichtige grüne Inhalte durchzusetzen. Deswegen haben wir auch keine Angst vor schwierigeren Konstellationen auf Bundesebene.
Das Konzept der Bürgerversicherung soll auch für Privatversicherte gelten. Wollen die GRÜNEN die PKV ganz abschaffen, ähnlich wie es SPD und Linkspartei gefordert haben?
Wir wollen die PKV nicht abschaffen. Im Gegenteil: In unserem Konzept wird neben der Solidarität auch die Wahlfreiheit der Versicherten ganz groß geschrieben. Die PKV soll sich nicht länger hinter dem inhaltsleeren Begriff „Systemwettbewerb“ verstecken. Wir ermöglichen einen Qualitätswettbewerb mit der GKV. Auch die PKV soll die Bürgerversicherung anbieten können. Das dient der Qualität der Versorgung.
Die Grünen setzen sich für eine stärkere Vernetzung aller Beteiligten im Gesundheitswesen ein. Gleichzeitig sollen aber auch die digitalen Patientenrechte stärker geschützt werden. Wie kann dieser Widerspruch politisch gelöst werden?
Wir sehen hier keinen Widerspruch. Damit die Digitalisierung auch tatsächlich die erhofften Verbesserungen für unser Gesundheitswesen bringt, müssen die Patientinnen und Patienten darauf vertrauen können, dass ihre Daten geschützt sind. Wir wollen, dass die Menschen selbst entscheiden, was mit ihren Daten geschieht und wer außer ihnen darauf Zugriff hat. Ein wichtiges Instrument hierfür ist die elektronische Patientenakte. Sie stärkt die digitalen Rechte der Patientinnen und Patienten und gibt ihnen die Hoheit über ihre Daten zurück.
Das Pflegestärkungsgesetz der Großen Koalition hat bislang keine Entlastung im stationären Pflegesektor gebracht. Die Verbände geben keine Entwarnung – im Gegenteil. Wie könnte eine grüne Pflegereform aussehen?
Für uns ist es wichtig, dass die zusätzlichen Beitragsmittel der Reformen in zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige investiert werden. Das geht nur mit ausreichend qualifiziertem Personal. Deswegen wollen wir zügig ein umfassendes Maßnahmenpaket gegen den Fachkräftemangel auf den Weg bringen. Dazu gehören ein Sofortprogramm für mehr Pflegestellen in Krankenhäusern, verbindliche Personalbemessungsregelungen in der Altenpflege und im Krankenhausbereich sowie eine Offensive für bessere Arbeitsbedingungen.
Im Grünen Wahlprogramm steht unter „Gesundheit“ das Thema Prävention an vorderer Stelle. Würden Sie nach dem „Veggie Day“ nun auch obligatorische „Jogging-“, „Rauchfrei-“ oder „Fahrradtage“ einführen wollen?
Jeder Mensch hat das Recht, gesund zu leben. Heutzutage wird häufig erst gehandelt, wenn die Krankheit bereits da ist. Gesundheitsförderung und Prävention sind für uns sehr wichtig. Das fängt an mit gesunden Lebens- und Arbeitsbedingungen für alle, mit sauberer Luft, wenig Verkehrslärm. Von der Kindertagesstätte über die Schule bis zum Arbeitsleben und dem Leben im Alter sollte ein gesundes Leben ermöglicht und unterstützt werden.
WAHL SPEZIAL 2017
Maria Michalk (CDU) - Foto: Laurence Chaperon(c) Laurence Chaperon
Katrin Vogler (DIE LINKE) Foto: (c) Linkspartei Bundesvorstand(c) Linkspartei Bundesvorstand
Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP(c) FDP Bundesvorstand
Hilde Mattheis, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD im Bundestag(c) SPD