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SPD Gesundheitsreform

"Sinn und Zweck der Bürgerversicherung ist die Abschaffung der Zwei-Klassen-Medizin"

Im Interview: Prof. Karl Lauterbach, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD im Bundestag
veröffentlicht am 18.04.2011 von Redaktion krankenkasseninfo.de

Prof. Karl Lauterbach (MdB)Prof. Karl Lauterbach (MdB)
Prof. Karl Lauterbach ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag. Seit 2004 ist er Mitglied der "Arbeitsgruppe Bürgerversicherung" im Parteivorstand der Sozialdemokraten. Im Interview beantwortet der Mediziner und Gesundheitsökonom Fragen zum gesundheitspolitischen Reformkonzept der SPD und zur Zukunft der PKV.    

2011-04-18T12:17:00+00:00
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krankenkasseninfo: Die SPD-Spitze bekennt sich klar zur Bürgerversicherung, vermeidet aber im Grundlagenpapier weitgehend das Wort Gesundheitsfonds. Soll also aus dem heutigen Gesundheitsfonds in Zukunft einfach der Bürger-Gesundheitsfonds werden ?

Karl Lauterbach: Im Beschluss des SPD-Präsidiums wird die Funktion des Gesundheitsfonds klar und deutlich beschrieben. Der Gesundheitsfonds leitet die Beiträge entsprechend dem Risikostrukturausgleich an die Krankenkassen bzw. an die privaten Krankenversicherungen, die den Bürgerversicherungstarif anbieten, weiter.

krankenkasseninfo: Es war die SPD, die mit der Einführung des Sonderbeitrages von 0,9 Prozent erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik die Parität bei den Gesundheitskosten zu Ungunsten der Arbeitnehmer verschoben hatte. Nun wird im neuen Konzept das Ruder herumgedreht und die Arbeitgeber stärker belastet. Ist die Zeit der konjunkturell bedingten Kompromisse vorbei ?

Karl Lauterbach: Nein, es war eben nicht die SPD, die den Sonderbeitrag wollte. Auch die letzten beiden Gesundheitsreformen waren Kompromisse mit der Union. Dazu zählt auch der Sonderbeitrag von 0,9%. Dies war eine unabdingbare Unionsforderung, allerdings als Kopfpauschale erhoben. Das konnte die SPD verhindern und in einen prozentualen Beitrag umwidmen. Jetzt ist es wiederum die SPD, die die paritätische Finanzierung wieder herstellt und den Arbeitgebern die Möglichkeit gibt, sich solidarisch und gerecht an der Finanzierung des Gesundheitssystems zu beteiligen.

krankenkasseninfo: Auch die Zusatzbeiträge sollen laut SPD-Grundlagenbeschluss weg; sehr uneindeutig wirken aber die Aussagen zum zukünftigen Wettbewerb unter den Kassen. Zitat: "Der Bürgerbeitragssatz wird einheitlich festgelegt – zur Stärkung des Wettbewerbs bekommen die Krankenkassen die Möglichkeit, diesen anzupassen". Bedeutet dies nun die Rückkehr kassenindividueller Beitragssätze oder nicht ?

Karl Lauterbach: Der Beitragssatz ist für alle Kassen einheitlich. Darauf aufbauend kann jede Krankenkasse einen Aufschlag erheben oder einen Abschlag gewähren. Diese Auf- und Abschläge sind der Tat kassenindividuell und somit ein Wettbewerbselement.

krankenkasseninfo: Der PKV-Verband hat bereits zum Sturm geblasen und beschwört das Einheitssystem und den eigenen Untergang herbei. In der Tat spricht die SPD von der Schaffung EINES Versicherungssystems, sichert aber den PKV-Versicherten Bestandsschutz ihrer Verträge zu. Heißt das, dass ein Stop für Neuabschlüsse in der PKV diese langsam finanziell aushöhlen und wegen Überteuerung unattraktiv machen soll ?    

Karl Lauterbach: Sinn und Zweck der Bürgerversicherung ist die Abschaffung der Zwei-Klassen-Medizin. Im Übrigen steht es den PKV-Unternehmen frei, den Bürgerversicherungstarif zu den gleichen Bedingungen wie die gesetzliche Krankenkasse und überdies Zusatzversicherungen anzubieten.

krankenkasseninfo: Wie realistisch ist es Ihrer Ansicht nach, die nötigen Steuermilliarden bei Wegfall der Sonder- und Zusatzbeiträge komplett aus einer höheren Besteuerung von Kapitalerträgen aufzubringen ? Liegen dem SPD-Konzept an dieser Stelle konkrete Berechnungen und Prognosen zugrunde ?

Karl Lauterbach:  Es ist ein aufwachsender Steuerzuschuss, der analog zur gesetzlichen Rentenversicherung dynamisiert wird. Wenn wir das nicht aufgrund von konkreten Berechnungen und Prognosen für realistisch halten würden, hätten wir es so auch nicht beschlossen.

 

 

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